3
copyright Rottweil inside

Ein ähnlich betitelter Text existierte bereits im Dezember. Und dann gefiel er mir nicht mehr. Für manche Witze und Blickwinkel muss man sich gut kennen, sonst tritt man auf Schlipse. Und die darf man irgendwann in diesen aktuellen Tagen anscheinend reihenweise abschneiden, darauf treten aber sollte man nicht. Will ich auch nicht. „Jedem zur Freude, niemand zum Leid“ darf von mir aus gerne generell, immer und für alle Motto sein.  Ich bin sowieso für ein bisschen mehr Narrertei auch unterm Jahr. Ausserdem ist Vorsicht die Mutter der Porzellankiste, und das gilt auch und gerade für Elefanten.

Ich hatte im Dezember Überlingen besucht. Um den Weihnachtsmarkt war es gegangen, den ich schräg fand.  Um das coole Kino, das selbst dann cool ist, wenn gar kein Film läuft. Um die Freundlichkeit aller. Um den See, um den ich Überlingen glühend beneide. Um den Vollmond über See und Stadt, was wie gemalt aussah. Überhaupt um die schöne Stadt und um den Kirchturm vor dem Giebelfenster, der aussah wie ein Leuchtturm, und zum ersten Mal fiel mir auf, dass das ja eventuell und überhaupt Gott weiß wie zusammenhängen könnte - von wegen ´ in der Not´ und so. Die hatte ich freilich nicht. Der Wein damals hätte besser sein können, aber das schwitzt sich raus - die Überlingentherme können mich mit so ziemlich allem versöhnen. Es war ein echt schöner Ausflug gewesen.

Ich war mir sicher gewesen, zum Narrentag nicht gehen zu können und hatte meinen eigenen deshalb also damit vorgezogen angesehen. Und dann hat es doch geklappt. Und in Überlingen wollte ich nachholen, was ich am Narrentag 2017 in  Rottweil nicht gekonnt hatte – auf den Wackel gehen  mit meiner Gästin, die ich an jenen Tagen beherbergt hatte. Die Rottweiler Stadtverwaltung hatte damals gebeten, privat Unterkünfte zur Verfügung zu stellen. Und so kam eben sie samt Freundin in unser Haus, sowie ein Hänsel aus Überlingen. Eben jener, bei dem also nun  ich heuer eine Bleibe bekam. Kurz zuvor hatte der mich mit einem Wahlspruch irritiert, in dem es um Hechte und ihre Lebensgewohnheiten ging, vor allem in Bezug um das Zusammenkommen mit anderen Fischarten. Wahrscheinlich muss man am See aufgewachsen sein, um das zu verstehen. Ich befand es für besser, mich nicht weiter dafür zu interessieren. Der Hänsel und seine Frau erwiesen sich jedenfalls als überaus charmante Gastgeber. Und noch im Nachhinein freue ich mich über den kleinen mitgebrachten Federahannes, der jetzt also in Überlingen neben einem Hänsel unter einem zum Narrenbaum gewordenen Christbaum steht.  

Wir gingen zum Bus, der eine kam nicht, der andre war voll, und also liefen wir weiter zum Shuttle und vertrieben uns Wartezeit  und Fahrt mit drei Federahannes aus Dietingen. Und ohne mein Zutun kam die Rede auf ´Bollahannes´, ein bis dato von mir nicht gekannter Begriff für  Frauen im Federahannes. Holà. Ich fühle mich in solchen Momenten immer ein wenig aus der Zeit gefallen, als müsste ich 100 Jahre nach der Einführung noch das Frauenwahlrecht verteidigen (auch das gab es schon). JA – Frauen narren im Hannes, und JA, das sieht man manchmal auch. Ich fragte freundlichst, was denn daran so stört, gewillt, die Antwort nicht zu wichtig zu nehmen. Am Ende macht es eh jede/r, wie er´s will. Und  in diesen Belangen ist die Rottweiler Zunft offenbar mitunter toleranter als ihre Narren. Solange also keiner mit dem Maßband am Tor steht, soll es schnuppe sein.  Es folgte ein Parfümtest. (Die Kalbsschwänze an den Steckenenden des Federahannes sind parfümiert). Manchmal können halt nicht beide gleich gut sein, manchmal ist eins besser. „Am Hals gerochen sei das ganz bestimmt anders!“ . Zu einer Überprüfung kam es nicht, auch weil Schuttig in den Bus stiegen, mit Saubloddern, die aussahen, als wären sie noch warm, und die so infernalisch stanken, dass ich auf meine Nase auch gerne mal verzichtet hätte. Lustig war´s trotzdem. Und außerdem nicht weit.  Ich passierte das Weinhaus Renker, das war in der langen Liste der Empfehlungen, die ich nach meiner Frage nach netten Lokalen auf fb erhalten hatte, gleich mehrmals erwähnt.  Und wirklich wirkte es ganz so, wie man sich ein Weinlokal an der Fasnet vorstellt – eine Kapelle und singende, schunkelnde Gäste, und eine volle Bude, an der alles am Platz und irgendwie aufgeräumt ist. Und eine 1a Toilette. In der Stadt standen Zuschauer in Fünferreihen. Meine Freundin stand irgendwo, und sie hatte auch meinen Elefanten dabei, aber  es bestand eh keine Chance auf ein Durchkommen.   Ich kletterte auf einen Müllverschlag und wollte erst einmal zusehen.  Die Orangen verliehen dem Oberndorfer Schantle eine ziemlich fokussierte Aufmerksamkeit. Meine Müllverschlagsnachbarn und ich waren bald ganz Auge um sie heranfliegen zu sehen. Brezeln sind halt doch weicher, und sie hauen auch nicht vom Sockel. Ihrer Großzügigkeit machten die Oberndorfer alle Ehre. (Trotzdem will ich nicht unerwähnt lassen, dass ich später an einem Vater mit Kind vorbeilief und aufschnappte, wie das Kind sagte „am besten haben mir die Rottweiler gefallen. Da gab´s die meisten Bonbons.“ Dies nebenbei zur Ehrrettung der Rottweiler, denen man auch schon Sparsamkeit in diesen Dingen nachgesagt hat). In Ermangelung eines Porzellanladens schlug meine Freundin vor sich in der Stangenbar zu treffen, was ich adrett fand. Im Rottweiler Lido war ich zum ersten Mal, als es eben an einer Fasnet zum ´Stangenhannes´ geworden war, und so hatte ich einen mir bislang fremden Ort entdeckt, an den auch frau gut und gern gehen kann. Der Weg zur Stangenbar gestaltete sich indes alles andere als einfach. Ich lief erst zum Franziskanertor, da wurde zu Walzer geschunkelt, die Gesichter und alles waren in rotes Licht getaucht. Das hatte eine ergreifende Stimmung. Weiter  aussenrum, das Tor von oben. Da stand ich auf einer Treppe,  die Hänsel schnellten, die Musik spielte, das Spektakel ist wunderschön. Neben mir feierten etliche Junge, die abgesehen davon, dass sie zum Teil die Flaschen fallen ließen, wo sie grad standen, ihre eigene Musik dabei hatten und diese dem Treiben des Umzugs vorzogen. Und kurz fragte ich mich, ob es dann nicht sinnvoller wäre, überhaupt eine eigene Party an einem anderen Ort zu feiern, so dass die zwei Musiken sich nicht so gruslig überlappen müssten.  Aber egal.  Im Zweifel immer für Großmut und Gemeinsamkeit. Dann dreht halt auf. Auch hier kein Durchkommen zur Stangenbar. Von mir aus hätt´s auch ein leichter zugänglicher Besen sein können.  Also weiter.  Den Berg hinauf, an einer alten Mauer entlang, Schnellen und  Musik klangen gedämpft und es wurde duster. Eine Ahnung Mittelalter flog mich an. Zwei Schuttig kamen mir entgegen.  Mir gefällt, dass sie die Larven immer unten haben. Immer. Noch nie habe ich das Gesicht eines Schuttig gesehen. Das ist in Rottweil anders, wo sich die meisten zwar daran halten, wenigstens im Stadtkern auf der Hauptstrasse die Larven nicht zu heben, es mit dem ersten Schritt in die Seitenstrasse aber sofort anders halten. Und im selben Augenblick ist der Zauber weg.  Der Verlauf des  Dialoges mit den Schuttig  lässt sich unschwer erahnen. Wohin des Wegs. Stangenbar.  Wir trinken einen. Wer braucht schon eine Stange. Andere Verabredung gibt es nicht. Feuer und Glut,…uswusf. Ein Hu-hu-hu, und jeder zog seines Weges, wir waren schließlich nicht zum Spaß da. Ich kam zu den Schuttig wo sie sich sammelten. Die Fackeln ließen die Häuser tanzen. Als ob Dämonen spukten. Und das war absolut  schauderhaft und zwar  in bestem Sinn - ein großartiger Schauder!  Ich schloss mich ein paar Zunfthonoratioren an, die, so nehme ich das jetzt zumindest an,  in allen Zünften an einer Art Wadelkappe zu erkennen sind, und schlängelte mich mit ihnen an Schuttig und Publikum vorbei und  endlich hinab zur Stangenbar. Es war kurz vor neun. Ich war pünktlich und jetzt doch  entzückt über den Treffpunkt. Ich war viel unterwegs gewesen und hatte die halbe Stadt umrundet,  aber doch richtig viel gesehen. Meine Freundin kam mit Freund, beides Elefanten, und ich bekam den meinen. War nicht ganz einfach ihn mir aufs Haupt zu drapieren. Ein Bauernkittel wäre sicher bequemer und tanzfreudiger gewesen.  Aber das habe ich keinen und will auch keinen, und sowieso wollte der Elefant in mir auch mal raus. Ein erster Sekt, jeder brachte jeden auf den neuesten Stand, ein paar Besen auf dem Weg. Im Hafen trommelte eine Frauencombo in roten Jacken. Die Elefantenherde stampfte begeistert im Takt. Weiter aufs Schiff. Da traf ich eine Freundin seit Rottweiler Kindertagen. Wir haben einander schon sehr nahe gestanden, uns jetzt aber ewig nicht gesehen. „Mein ganzen Leben träume ich davon, nach Überlingen zu fahren, auf einem Schiff zu tanzen und dabei dich zu treffen!“ lachte ich, und wir fielen einander in die Arme, und ich hatte das Gefühl, es stimmte. Ein paar Neuigkeiten ausgetauscht. Und weiter. Im Galgenhölzle  abgefahren eng.  Im hinteren Bereich war etwas Luft, aber um zum Beispiel aufs Klo zu gehen, musste man durch den ganzen Laden. Enger geht´s nicht mehr, was so schlimm aber nicht war, alle hatten ein so flirtbereites Strahlen im Gesicht, eine Zugewandtheit, die entschlossen schien, es für heute gut sein zu lassen, und mehr braucht es auch nicht, und es verblüfft, aber tatsächlich klingt, was unterm Jahr nur Kopfschütteln auslöst, in dieser Szenerie absolut adäquat. Ein Lachen links, ein Schäkern rechts, ein leichtes ´später´, das unausgesprochen ´nie´ heißt. Ich musste wohin, ich hatte eine Mission und ich wollte auch zurück zu meinen Elefanten.  Ein Kapitän und ein Matrose, der aussah wie Popeye tanzten mit zwei schmucken Hafenmädel. Die Kellnerin bugsierte die Drinks drum herum ohne irgendwas zu verschütten. Es wurde bedient!  Fand ich Hammer. Ich ziehe den Hut. Eine letzte Runde, ´Tschüß´ und ´wir sehen uns wieder´, und der Heimweg am See entlang.  Der Dunst überm Wasser verschluckte die Geräusche, und Baumgerippe lösten sich im Nebel auf; es wurde langsam leise und dunkler.  In Nussdorf  war der Spuk vorbei.

Überlingen, das war toll.

Allen eine glückselige Fasnet

Huhuhu

Hinweis: Die in dieser Kolumne geäußerten Ansichten und Meinungen sind allein die des/der Autors/Autorin und spiegeln nicht notwendigerweise die Ansichten unserer Redaktion wider. Wir übernehmen keine Verantwortung oder Haftung für den Inhalt dieser Kolumne.
gefällt mir (29) Kommentieren
Die in der Kolumne formulierten Meinungen geben ausschließlich die Auffassung des jeweiligen Verfassers wieder.

Es ist uns wichtig, Ihre Daten zu schützen

Wir verwenden Cookies, um Ihnen ein optimales Webseiten-Erlebnis zu bieten. Das sind einerseits für den Betrieb der Seite notwendige Cookies, andererseits solche, die für Statistikzwecke, für die Anzeige von Videos und Kartenmaterial gesetzt werden. Sie können selbst entscheiden, welche davon Sie zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass auf Basis Ihrer Einstellungen eventuell nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.