3

Eine Zeitreise

Erinnerungen und Zukunftsträume
copyright Beate Kalmbach

Ich hab´s geschafft – ich war auf der Vernissage UND auf der Fridays-for-Future-Demo. Ich bin ziemlich stolz darauf. Im Laufe der Woche gab es schon Momente, da hätte ich das nicht für möglich gehalten. Und das trotz Urlaub. Aber der macht bisweilen auch, was er will. Da kann man die tollsten Pläne haben, und dann schickt er einen zu Wohnungsauflösungen und Umzügen, zu Krankenbetten und in Reparaturwerkstätten.

Der Besuch der Ausstellungseröffnung zu Holger Rabensteins Schaffensgeschichte am  Donnerstagabend im Stadtmuseum klappte trotzdem. Als Zeitreise war sie angekündigt, und das war sie auch.

Zu meinem Bedauern stellte ich – nicht zum ersten Mal - fest, dass ich Großartiges verpasst hatte, die Anfänge des Jugendhauses zum Beispiel, mit diesen spektakulären Flyern mit dem Antlitz von Marsha Hunt, ein frühes Idol aus dem von mir heiß geliebten Musical ´Hair´, die also NICHT zu verwechseln ist mit Angela Davis, der Bürgerrechtlerin und Philosophin, und die also auch gefeit ist vor jedem Terrorismusverdacht, und somit völlig zu Unrecht Auslöser eines kleinen, lokalen Skandals wurde. Abgesehen davon, dass auch Angela Davis zu Unrecht verdächtigt war - ich liebe solche Skandale. In ihnen wird so  unzweifelhaft deutlich, dass sie meist ganz banalen, neurotischen Ängsten entspringen. (Die Geschichte gibt’s bestens bebildert in der Ausstellung). All das war also vor meiner Zeit. Ich habe zwar später beim Richten der Stadtjugendringräume im Jugendhaus geholfen, nicht aber dessen ureigene Eröffnung miterlebt, nur seine Schließung.

Die Plakate zu den Festen in der Stadionhalle versetzten auch in meine Jugendtage zurück. Das waren tolle Feste. In wochenlanger Arbeit wurde die schnöde Halle  zum Frühlingstempel oder zur Hafenstadt, war nicht wiederzuerkennen, und kaum waren die Pforten geöffnet, strömten die Gäste von Stadt und Umland in Scharen. Das waren Megaevents, von denen man monatelang zehren konnte. Ich stelle fest, ich zehre heute noch.

Die Feste waren Gemeinschaftsaktionen. Viele Ideen, deren Umsetzung und die Plakate kamen von Holger, der, eigenwillig und souverän und sozial bindend – ein Rabensteinhaus schafft es irgendwie immer, ein bisschen Heimat für ganz viele Leute zu sein -,  die schöne Kunst beherrscht, aus wenig viel zu machen. Ich stelle mir vor, das ist ein bisschen wie beim Kochen – wenn man im Feinkostgeschäft einkauft und bei Zutaten und Gerätschaften nicht zu sparen braucht, ist es leicht, gut zu kochen. Wenn man die letzten Kröten zusammenkratzt für ein paar Grundnahrungsmittel und Gemüse mit rotem Rabattaufkleber, und beim Zubereiten hauptsächlich Messer und Schneebesen benutzt, sollte man schon einen guten Plan haben.

Schließlich das Sanieren. Ich selbst habe den Preis im Grunde noch vor dem Schaffen genossen. Auch schön – erst die Ehrung, dann die Arbeit. Bei der Fahrt nach Bonn zur Verleihung des Denkmalschutzpreises war ich gleich mit dabei. Das war eine tolle, große Sache. Ich verfolgte aufmerksam die Führung durch den damaligen SPD-Abgeordneten Kirschner, der dann von einer Mitreisenden verwechselt wurde mit ´Hauser´, weil Kirschner die Hauser-Plastik vor dem Abgeordnetenhaus erklärt hatte. Und weil das also der Name war, der hängen blieb, wurde die Mitreisende - in der großen, fremden Stadt verirrt - von einem tatsächlich existierenden Abgeordneten Hauser, der -  was hält die Welt doch für wundervolle Zufälle bereit - Rottweil kannte, von diesem also wohlbehalten zur Gruppe zurückgebracht. Großartig! Das Buffet war auch gut.

Aber zurück. Ich wusste damals nicht, wie sehr wir unserer Zeit voraus waren. ´Aus Alt mach Neu´ unter Nutzung des Alten, soweit irgend möglich. Bei der Demo diesen Freitag kam es wieder zu Sprache – der CO2-Ausstoß der Betonproduktion, der einen schwindeln macht. Es mag bisweilen billiger sein, abzureißen und neu zu bauen, ökologischer ist es nicht. Ich denke immer, die Energie, die schon in einem Haus oder in einem Gegenstand drin steckt, inklusive der Rohstoffe, die muss man nicht nochmal reinstecken. Nutzen, was bereits da ist. Das regt auch die Fantasie an. Ich stelle mir den Komplex um die alte Feuerwehr vor. Die Fahrzeughalle – na gut – sei´s drum – aber vielleicht wäre ja selbst die neu zu nutzen. Der Rest als vergemeinschaftetes Wohnen, in Einheiten, wie sie die Gebäude vorgeben, nobel und schlicht, groß oder klein. Ach, so stelle ich mir das Wohnen überhaupt vor, ob in der Kernstadt oder im Neubaugebiet –  vergemeinschaftet. Ein Waschraum für alle, in Garten oder Hof ein großes Trampolin und eine Nestschaukel, und im Entré eine Art Lounge mit Sofas und Sesseln, einer Kaffeemaschine, einem Kühlschrank für kühle Getränke und mit einem schwarzen Brett für Aushänge, Angebote, Nachfragen, und Ankündigungen. Und da trifft man sich und tauscht sich aus und tauscht auch Hilfe aus, Einkauf oder Suppe gegen  Dübel in der Wand, die ich, obwohl stolze Besitzerin einer Bohrmaschine, doch nie wirklich reinbringe, weil dann immer der passende Bohrer fehlt oder die Wand nicht will wie ich es tu. (Okay, es ist ein Akkuschrauber, was die kleine Schwester der Bohrmaschine ist. Ich nenne sie trotzdem gerne Bohrmaschine. Gefragt im Baumarkt hatte ich nach einer solchen. Kann ich was dafür, dass der Typ mir die Miniaturausgabe empfohlen hat, weil er meinte, das Original sei zu schwer im Handling? Für mich. Als Frau. Für meine Bedürfnisse. Was weiß der schon von meinen Bedürfnissen. Meine Leichtgläubigkeit stellt mir Bein um Bein).

Die Idee des vergemeinschafteten Wohnens in einem städtischen Gebäudekomplex rabensteineresk umgesetzt – es würde mir vermutlich  die Tränen in die Augen treiben.

Mag sein, da ist der Wunsch Mutter des Gedankens.  Aber so ist´s. Ich liebe unsere Wohnung und wir sind – meistens – glücklich, und es geht uns gut, aber es wäre halt klasse, sie wäre nicht so für sich und es wäre nicht jede Aufgabe eine, die man alleine bewerkstelligen muss. Teilen wäre leichter und ökologischer und oft bestimmt auch lustiger. Okay, es wäre für einige weniger verdient. Aber herrje – irgendjemand mosert immer. Wer da mosert, der tut das auf allerhöchstem Niveau, da kann man dann schon mal sagen – dann sei es halt so.

Und jetzt alles Schwere beiseite. Es ist Zeit für adventliches Schmücken. Das bringt Licht in trübe Tage und Gedanken. Und wenn das Licht nicht hilft, dann tut´s bestimmt ein Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt vor der Haustür. Die Buden stehen schon. Und wenn Weihnachtsmärkte auch als  ´Wacken für Büroangestellte´ verschrien sind - wer weiß, vielleicht ist was dran, ich bin keine Büroangestellte - dann sei´s drum, ich tue so, als wäre ich eine – let´s rock it.

Die Ausstellung im Stadtmuseum und im Alten Rathaus dauert übrigens  bis 24. Januar. Außerdem gibt  es am 14.12. und 11.01., jeweils um 14.15 Uhr, Führungen mit Holger Rabenstein persönlich, am 07.12., 27.12. und am 02.01, ebenfalls um 14.15 Uhr, Siebdruck zum Mitmachen für Kleine und Große von Dr. Gwendolyn Rabenstein und am 04.01. eine Film-Matinée im Festsaal der Gymnasien mit den drei Filmen des Rottweiler Filmemachers Dieter Funk, bei denen Holger mitgewirkt hat.

Hinweis: Die in dieser Kolumne geäußerten Ansichten und Meinungen sind allein die des/der Autors/Autorin und spiegeln nicht notwendigerweise die Ansichten unserer Redaktion wider. Wir übernehmen keine Verantwortung oder Haftung für den Inhalt dieser Kolumne.
gefällt mir (17) Kommentieren
Die in der Kolumne formulierten Meinungen geben ausschließlich die Auffassung des jeweiligen Verfassers wieder.

Es ist uns wichtig, Ihre Daten zu schützen

Wir verwenden Cookies, um Ihnen ein optimales Webseiten-Erlebnis zu bieten. Das sind einerseits für den Betrieb der Seite notwendige Cookies, andererseits solche, die für Statistikzwecke, für die Anzeige von Videos und Kartenmaterial gesetzt werden. Sie können selbst entscheiden, welche davon Sie zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass auf Basis Ihrer Einstellungen eventuell nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.