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copyright Beate Kalmbach

Kindergeburtstage. Rosa Fotoapparate und schwer bewaffnete Lego-Kämpfer, angegessene Kuchen und auf dem Teppich klebende Gummibärchen. Und Hoopsie-poopsie-cutie: Schleim kackende Püppchen.

Die Tochter wurde sechs und hatte sich das gewünscht, und die Freundin des Hauses und quasi Tante war gewillt den Wunsch zu erfüllen.

„Wo geht’s denn hier zum Schleim?“ hatte sie im Spielzeugwarenhandel gefragt.

„Junge oder Mädchen?“

Das gibt es geschlechterspezifisch! Als Experimentierkasten in blau, oder eben rosa Glitzerschleim in bunten Einhörnern, oder zum Selber-anrühren im einem Eiswagen nachempfundenen Plastikwägelchen; versteht sich von selbst – auch dies in Rosa. Und Tütchen mit Pulver, das Badewasser in rosa oder aber blauen Glibber verwandelt. Man bekommt schon von der Vorstellung Hautausschläge.

Nach dem Fest mit dem Sohn Thema für Thema, Punkt für Punkt die mit der Regelmässigkeit des Murmeltiers wohlbekannten Diskussionen durchgegangen: Hausaufgaben sind eine Zumutung, gegen die man mit stets demselben hitzigen  Trotz rebellieren muss. Der Unterschied zwischen Können und Können-wollen ist Ansichtssache und also auch die daraus folgende Notwendigkeit des Lernens und Übens. Tabletzeiten zu begrenzen gehört verboten.  Einen Unterschied zwischen richtigem Essen und Junk gibt es nicht; Essen ist, was schmeckt und satt macht. Ins Bett gehen müssen ist blöd, Zähne putzen auch, die Liste ließe sich fortsetzen. So viele Müssens.

Manche Müssens fallen mir schwer zu erklären. Weshalb fängt die Schule so früh an, dass man, zumindest im Winter, das Gefühl hat, man steht mitten in der Nacht auf? Ich bin nicht der Schulminister, sage ich dann. Wäre ich es, sähe Schule anders aus. (Eine Schulpflicht gäbe es nichtsdestotrotz; ich halte sie für eine Errungenschaft,  nicht für eine Keule.) Müssens generell, meine ich, gibt es halt; nicht alles, was so ansteht, ist immer auch ein Herzenswunsch. Vieles gehört dazu, zum Dasein, also Augen zu und durch. Es ist auch nicht jede Rebellion es wert, durchexerziert zu werden.

Manchmal sind die Verlockungen der Zeit stärker als ich. Glibber und Schleim und Spielzeugwaffen mit Schaumstoffpatronen; Fernsehen und minecraft; Süßigkeiten und Nudeln mit Ketchup;  so viel Junk ist so allgegenwärtig, dass er sich kaum draußen halten lässt. (Meine Kinder halten Apotheken für Gummibärenläden). Und so sehr ich dagegen anrenne, so sehr verlieren wir uns in täglichen Reibereien, die auch keinem guttun. Freilich stelle ich mich denen, das gehört zu meinen Müssens anscheinend dazu, aber das bedeutet nicht, dass ich immer gewinne. Ich kann einen Stecker ziehen, aber ich kann weder Salat zwangsfüttern noch in den Schlaf zwingen. Und ich will auch nicht das Gefühl vermitteln, es ginge immer nur um Nachgeben oder Sich-durchsetzen, und um Wollen contra Müssen. Manche Müssens stellen sich ohnehin manchmal als Chance heraus. Aber um das dann zu sehen, darf man nicht zu verhärtet dagegen Sturm laufen. Am Verträglichsten erscheinen mir in diesem Zusammenhang die lebensbejahenden, freudvollen Leute, und die, die differenziert betrachten und bereit sind, im Blöden auch das Gute und andersrum zu sehen. Nicht die, denen es zuallererst um Funktion und womöglich nur eine einzige Vorstellung von ´richtig´ geht. Wobei sich das freilich auch nicht akkurat auseinanderhalten lässt, Asche auf mein Haupt – ich liege auch gelegentlich daneben und vertrete meinen Irrtum mit aller Vehemenz, zu der ich fähig bin. Ich weiß jedenfalls nicht, wie man das an Kinder wirklich und erfolgreich hinbekommt und operiere trotzdem am offenen Herzen.

Manchmal finde ich Eltern-sein auch eine ziemliche Zumutung.

Zwei Geburtstage, zwei Jahre älter. Das ist immerhin ein Trost. Sie werden Argumenten zugänglicher. Mein Sohn wünschte sich zum ersten Mal KEIN Lego-Set,  nicht wenig Material mit viel Schnickschnack für viel Geld, sondern Klötze zum Bauen. Halten Jahrzehnte und Generationen von Kindern aus. Fürs Tablet hat er eine Regelung vorgeschlagen, die wir beide gut finden können. Und meine Tochter hat mit Dreck und Matschepampe am Ende sowieso mehr Spaß als mit rosa Glitzerschleim.

Was mich erinnert an ein altes Thema: ein Spielplatz mit Wasserlauf zum Bauen und Matschen wäre klasse! Fehlt in der Stadt, absolut. Wäre im Ringen mit dem Quatsch des Konsumierwahns ein echter Fortschritt.

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