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Überparteilicher Frauenstammtisch widmet sich brandaktuellem Thema

Frauen helfen Frauen: Hilfe auch für Jungen und Mädchen
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Beim Frauenstammtisch referierte Renate Weiler vom Verein Frauen helfen Frauen über die zunehmende Gewalt gegen Frauen und Kinder.

Ein sehr ernstes, schwieriges und zudem brandaktuelles Thema hatte der überparteiliche Frauenstammtisch diese Woche: Gewalt gegen Frauen und Kinder.
Renate Weiler, Sozialpädagogin vom Verein Frauen helfen Frauen/Auswege e.V in Rottweil erzählte zunächst von den ehrenamtlichen Anfängen des Vereins. Heute hilft sie mit ihrer Kollegin Hanne Blust den Betroffenen, und das kostenfrei und auch anonym. Der jungen Schwangeren, deren Freund sie bedroht, die Wohnung ist gekündigt, Freunde und Verwandte weit weg. Oder der 40-Jährigen, deren Traumpartner plötzlich eifersüchtig wird und nach der Trennung zum Stalker, der auf dem Balkon seiner Ex auftaucht und BHs an den Briefkasten hängt. Hier konnten die Beraterinnen helfen, stabilisieren, dafür sorgen, dass der Partner die Wohnung nicht mehr betreten darf.

Dass es während des Lockdowns zu mehr Gewalt kommen würde, war klar, doch zunächst blieb es ruhig in der Beratungsstelle. Logisch, so Renate Weiler, wenn er den ganzen Tag zuhause ist, kann sie kaum ihre Not am Telefon schildern. Im August sei die Nachfrage dann ungewöhnlich explodiert, im Moment stabilisiere sie sich auf hohem Niveau. "Ich rechne damit, dass wir noch Jahre damit zu tun haben werden", so die Sozialpädagogin. "Es dauert oft sehr lange, bis sie sich melden." Viele Frauen blieben trotz Gewalt bei ihren Partnern, den Kindern zuliebe oder weil sie finanziell abhängig sind. Dabei leiden die Kinder sehr, und wenn sie das den Frauen klar mache, hätten sie oft eher den Mut, sich zu trennen. Generell erlebt jede dritte Frau ab 16 Jahren häusliche Gewalt. Ein toller Erfolg des Vereins war die Werbeaktion mit Moderatorin und "Let´s Dance"-Teilnehmerin Lola Weippert, die viel Aufmerksamkeit brachte. "Alle müssen wissen, dass es uns gibt!" Oft seien es auch Nachbarn oder Angehörige, die sich meldeten.

Seit 2012 trägt der Verein den Namenszusatz "Auswege", um deutlich zu machen, dass hier auch Jungen und Mädchen Hilfe finden. Hier sind es oft Schulsozialarbeiter, die sich an die Beratungsstelle wenden - durch den Lockdown blieb dann vieles unentdeckt. "Wir machen uns große Sorgen:" 16.000 Fälle von Kindesmisshandlung gab es im vergangenen Jahr in Deutschland - jeden Tag also 40 Kinder. "In 75 Prozent der Fälle sind die Täter den Kindern bekannt", und die gehen meist sehr strategisch vor, betonte Renate Weiler. Sie drohen den Kindern, die sich dann hilflos fühlen und sich niemanden anvertrauen. "Wir sind meist die erste Stelle, die ihnen zuhört und glaubt." Viele Fälle blieben aber unentdeckt, etwa 75 Prozent der Opfer suchen erst viele Jahre später Hilfe. Auch deshalb ist Prävention extrem wichtig, denn immer häufiger sind Jugendliche selbst Täter, die gar nicht genau wissen, was sie da eigentlich machen.

Die Anzeichen für Missbrauch bei Kindern seien nicht immer leicht zu erkennen, manchmal sei es auffälliges sexuelles Verhalten, übertriebene Hygiene oder auch eine auffällige Konzentration auf bestimmte Dinge, "aber es gibt da keinen Rezeptkatalog!" Bei allen Problemen müsse man in Betracht ziehen, dass Missbrauch dahinter stecken könnte. 
Ganz wichtig sei immer, dass die Betroffenen wissen, wohin sie sich wenden können. Deshalb gibt es im November wieder eine Aktion zusammen mit den Apotheken im Kreis, die Taschentuchpäckchen verteilen, auf denen die Kontaktdaten der Beratungsstelle gedruckt sind. An der Fasnet werden Visitenkartenständer in Gasthaustoiletten auf gestellt. Anonym, per Telefon oder Email - egal, wie sich Betroffene melden, sie bekommen sehr zeitnah einen Beratungstermin und entsprechende HIlfe, beispielsweise die Vermittlung in ein Frauenhaus.

Renate Weiler betonte auch, dass die Rottweiler Helios-Klinik inzwischen bei Vergewaltigungsopfern eine anonymisierte Spurensicherung anbietet. Hier werden DNA-Spuren gesichert und das Opfer kann sich in Ruhe überlegen, ob es Anzeige erstattet oder nicht. Sonja Rajsp fragte nach, was passiert, wenn die Umgebung einem Kind nicht glaubt. "Dann können wir das Jugendamt einschalten. In dem Fall gibt es die Möglichkeit, das Kind in Obhut zu nehmen. Das muss man sich aber sehr gut überlegen." 
Erschreckend sei, dass Täter immer jünger würden. Ein Drittel sei unter 21, und inzwischen seien es schon Fünftklässler, die einen Fake-Account einrichten,um eine Klassenkameradin dazu zu bringen, Nacktfotos von sich zu machen. Auch hier sei Prävention unglaublich wichtg. Und das Wissen, dass es die Beraterinnen von Frauen helfen Frauen gibt. "Wenn Ihnen etwas auffällt: Sie müssen es nicht alleine lösen. Rufen Sie an!"

Info: Die Beratungsstelle ist erreichbar unter 0741-41314 oder per Mail info@fhf-auswege.de
www.fhf-auswege.de oder www.nein-sagen-auswege-finden.de
 

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