Das Veterinäramt Rottweil erreichte kürzlich ein Hilferuf: Das Tierheim in Rottweil stehe kurz vor dem Kollaps. Der Grund sind mehr als 100 Katzen, die inzwischen von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern versorgt werden müssen. Und während die Anzahl der Fellnasen steigt, sinkt die Zahl der Vermittlungen.
Mehr als die Hälfte der Katzen, die im Rottweiler Tierheim untergebracht sind, sind erst wenige Wochen alt. Beim Besuch der Amtstierärztin Anna Lamparter im Rottweiler Tierheim werden dort aktuell 65 Katzenkinder mit ihren Müttern versorgt. Viele der vierbeinigen Babys sind in der Einrichtung geboren, andere wurden als Fundtiere mitsamt den Kätzinnen abgegeben. In der Quarantänestation sind zu diesem Zeitpunkt außerdem vier Winzlinge untergebracht, die von Hand aufgezogen werden müssen – die Mutter hatte sie nicht angenommen, die Besitzer konnten die Handaufzucht nicht leisten. Das bedeutet für das Team im Tierheim: Betreuung im zwei-Stunden-Takt, sowohl tagsüber als auch nachts.
Das Rottweiler Tierheim gehört dem Tierschutzverein Rottweil e.V.. Dessen Vorsitzender Günther Hermus hatte sich verzweifelt an das Veterinäramt gewendet. „Wenn sich die Entwicklung so fortsetzt, müssen wir einen Aufnahmestopp verhängen“ fürchtet er. Zweimal jährlich, wenn Katzenjunge geboren werden, landen einige von ihnen im Tierheim, sowohl im Frühjahr als auch im Herbst. „Aber in dieser Anzahl haben wir das noch nie erlebt“. Immer mehr Katzen werden abgegeben oder ausgesetzt, als Grund hierfür vermutet Hermus unter anderem die deutlich gestiegenen Tierarztkosten.
Die haben noch einen anderen Effekt: Wer sich die Kosten für den Tierarzt nicht leisten kann, verzichtet auf die Kastration – was in der Folge wieder mehr Katzennachwuchs bedeutet, der dann in vielen Fällen samt der Mutter einfach irgendwo ausgesetzt wird. Tierärztin Anna Lamparter: „Eine unkastrierte Katze kann mit den üblichen zwei Würfen theoretisch jedes Jahr zwischen acht und zwölf Junge zur Welt bringen“. Werden unkastrierte Katzen ausgesetzt, ist die nächste Trächtigkeit vorprogrammiert.
Claudio di Simio, Vorsitzender des Schramberger Tierschutzvereins, kennt diese Problematik nur zu gut. „Aus solchen Situationen entstehen Hotspots, in denen sich die Katzen vollkommen ungehindert vermehren.“ Als Beispiel nennt er ein Grundstück in Hardt, wo mehr als 40 Kätzinnen und Kater lebten. „Sie wurden nur gefüttert, aber nicht tierärztlich versorgt, fast alle litten an Krankheiten oder Parasiten“. Deshalb hat der Tierschutzverein sie eingefangen, im Tierheim aufgenommen, tierärztlich behandeln lassen und, wo möglich, weitervermittelt. Denn nicht für alle Katzen findet sich ein neues Zuhause. „Eine Katze, die in der zweiten Generation ohne engen Kontakt zu Menschen aufwächst, bleibt in der Regel scheu.“ Und die Vermehrung innerhalb immer der gleichen Gruppe verursacht Genschäden und in der Folge bleibende gesundheitliche Einschränkungen.
Wenn solche Hotspots entstehen, sollten diese dem örtlichen Tierschutzverein gemeldet werden. „Die Katzen einfach nur zu füttern, das ist falsch verstandene Tierliebe“, so Anna Lamparter. „Die Tiere werden krank und als Dosenöffner ist man ruckzuck in der Verantwortung für die Gesundheit der Tiere.“ Die Veterinärin rät deshalb unbedingt, die Vierbeiner kastrieren zu lassen, sowohl Kätzinnen als auch Kater. „Natürlich gibt es auch Tierhalter, die gerne für Ihre Katze zumindest einmal Nachwuchs hätten“, so Lamparter. „Sie sollten idealerweise schon im Vorfeld nach einem künftigen Zuhause für die Kitten zu suchen und die jungen Katzen dann mit den entsprechenden Impfungen abgeben.“ Das sei durchaus ein Kostenfaktor, deshalb könne man sich beispielsweise mit den künftigen Besitzern einigen, dass sie diese Kosten übernehmen oder den Verkaufspreis entsprechend anpassen.
Die Ausgaben, die ein einzelner Tierhalter hat, sind in den Tierheimen in Rottweil und Schramberg um ein Vielfaches multipliziert. Personalkosten, Futter, die Behandlung von kranken Tieren, Entwurmungen und Impfungen sowie gestiegene Energiekosten reißen Löcher in die Tierheimkassen. „Unser Kostendruck steigt immer mehr“ so Günther Hermus. Sein Schramberger Kollege Claudio di Simio bestätigt das – auch wenn er zumindest für das Gebiet der Stadt Schramberg in Sachen Katzen eine positive Entwicklung sieht. „Seit es in Schramberg eine Katzenschutzverordnung gibt, hat sich die Zahl der Tierheim-Katzen für diesen Bereich bei uns halbiert“ sagt er. Die Verordnung regelt unter anderem, dass freilaufende Hauskatzen kastriert, gekennzeichnet und registriert werden müssen.
Günther Hermus hofft nun, dass er und sein Team trotz allem viele Katzen vermitteln können. Alle Katzen, die aus den Tierheimen Rottweil und Schramberg abgegeben werden, sind entwurmt, geimpft und gechipt – und kastriert, sofern sie das nötige Alter erreicht haben. Bei jüngeren Katzen übernimmt der Tierschutzverein die Kosten für das Kastrieren.
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