Am vergangenen Dienstag fand in der Stadtbücherei Rottweil eine Buchvorstellung der besonderen Art statt: Der bekannte Wirtschaftspublizist, langjährige Chefredakteur des "Handelsblatts", Bernd Ziesemer, stellte sein neuestes Werk "Maos deutscher Topagent - Wie China die Bundesrepublik eroberte" vor. In seinem Buch zeichnet Ziesemer das Leben von Gerhard Ludwig Flatow nach, einer faszinierenden, zugleich aber weitgehend unbekannten Persönlichkeit der Nachkriegszeit, die als einer der wichtigsten Agenten Chinas in Deutschland agierte.
In den 1950er und 1960er Jahren vertrat Flatow in einer bemerkenswerten Doppelrolle sowohl die Interessen Chinas als auch die des von ihm geleiteten Unternehmens, das zu den ersten in China ansässigen Firmen gehörte.
Um die Entwicklung der 1949 gegründeten Volksrepublik einzuordnen, schlug der Autor einen historischen Bogen. Vor fast genau 75 Jahren war China ein bitterarmes Land, das mit Ausnahme Großbritanniens keine diplomatischen Beziehungen zum Westen unterhielt. Es war völlig isoliert und abhängig von der Sowjetunion. Das Embargo nach dem Koreakrieg und der Konflikt mit den Bruderstaaten (ab 1956) trafen China zusätzlich. Das Land sah sich wirtschaftlich am Ende und suchte Beziehungen zum Westen, vorzugsweise zu Westdeutschland, das zwar durch den Zweiten Weltkrieg geschwächt war, aber mit Maschinen und Fahrzeugen helfen konnte. Eine der treibenden Kräfte: eben jener Flatow.
Ziesemer betonte, dass die Auswirkungen bis heute spürbar seien. Dazu beleuchtete er die aktuelle Situation Chinas und sein Verhältnis zu Deutschland, ohne das Land an den Pranger zu stellen. Der Vortrag und die anschließende 30-minütige Fragerunde zeichneten sich durch eine sachlich fundierte Analyse auf hohem journalistischem Niveau aus.
Der Autor Bernd Ziesemer reist seit Jahrzehnten regelmäßig nach China. In sechsjähriger Recherche, gestützt auf Geheimdienstdokumente und persönliche Gespräche, rekonstruierte er das spannende Leben des Mannes, der eine Schlüsselrolle für den wirtschaftlichen Einfluss Chinas auf die Bundesrepublik spielte. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse sind nicht nur für Historiker spannend, sondern auch für alle, die sich für die heutige Rolle Chinas in der Weltwirtschaft interessieren.
Die Buchvorstellung war gut besucht und fand in Kooperation zwischen der Reinhold-Maier-Stiftung Baden-Württemberg und der Stadtbücherei Rottweil bei freiem Eintritt statt. Für die Leiterin der Stadtbücherei Rottweil, Monika Schmidt, war es „wie ein Krimi - einer, der auf Tatsachen beruht“.
Für Interessierte, die die Veranstaltung verpasst haben, bietet das Sachbuch „Maos deutscher Topagent“ eine fundierte Darstellung der historischen und wirtschaftspolitischen Zusammenhänge, insbesondere des Einflusses Chinas auf die deutsche Wirtschaft. Das im August 2023 erschienene Buch ist im Handel erhältlich.
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