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Der Narrenengel

Der Narrenengel führt die Narren beim Sprung an. 
Er ist gekleidet mit den traditionellen Reichsstadtfarben Rot und Weiß. Seine Larve ähnelt der eines Schantle. Die Haube ist weiß mit Borten und Fransen besetzt. Der Hut hat die Forma eines Dreispitzes. Er trägt drei Foulard und eine rot-weiße Schärpe. 
Der Narrenengel führt den Zug an mit einer Tafel, die das Stadtwappen und die Aufschrift: Niemand zu Leid - Jedem zur Freud zeigt.

Der Narrenengel nimmt Bezug zu den Engelsgesellen der Reichsstadt. Die Junggesellen der Handwerkszünfte stellen seit dem 17. Jahrhundert an der Fasnet die Organisation der Engelsgesellen. Die Engelsgesellschaft scheint mehr ein Zucht-, Ordnungs- und Bildungsorgan für Bürgersöhne gewesen zu sein. 

In den 40 Artikeln des Verhaltenskodex für Junghandwerker finden sich Abschnitte, deren Forderungen von den Handwerkszünften heute noch erfüllt werden. So zum Beispiel durch die Teilnahme an der Fronleichnamsprozession und dem Laternentragen (diese befinden sich im Münster) bei der sogenannten Monatsprozession. Auf diese Engelsgesellschaft, deren Mitglieder sich nur mit Erlaubnis des Vogtes: ». . . vermaskeret oder in der Narrendey . . « zeigen durften, wird Rottweils Narrenengel zurückgeführt werden können.
Aus der Engelsgesellschaft heraus entwickelte sich im Laufe des 18. Jahrhunderts eine Narrenzunft, die für die Ausrichtung der Fasnet verantwortlich wurde.
Kurz nach dem Ende der Reichsstadtzeit wurde die Engelsgesellschaft und Narrenzunft aufgelöst. 
Das Verdienst, den Narrenengel in der heutigen Form wiederbelebt zu haben, gebührt der Rottweiler Familie Widmer (Johannsergasse). Karl Widmer (1892-1978) schreibt dazu: »Das in den alten Stadtfarben rot/weiß gehaltene Kleid wurde von meiner Mutter 1884 genäht. Im selben Jahr wurde auch die Larve von Herrn (German) Burry geschnitzt. Im Jahre 1885 ging der Narrenengel erstmals die Stadt runter. Es waren damals etwa 60 Narren, darunter 2 Rößle, eines von >Herren Kramers< und der sogenannte >Fuchs< von Friseur Kramer. Mein Vater ist bis Kriegsbeginn 1914 mit dem Narrenengel gegangen. Nach dem Krieg habe ich selbst etwa 30 Jahre lang den Narrenengel getragen.« Der Narrenengel ging erstmals mit einer kleinen Tafel voraus, die Maler Abele gemalt hat. Diese kleine Tafel ist im Besitz der Zunft. Sie wurde 1911 durch die heute noch gebräuchliche Tafel ersetzt, die gleichfalls von Johann Abele bemalt wurde.

Dank dem Fasnetsverständnis des Narrenengelbesitzers konnte die Narrenzunft vor wenigen Jahren diese für Rottweils Fasnet so wichtige Figur erwerben. Anzug, Larve und Tafel des Narrenengels wurden erneuert. Zu fragen wäre noch, welche Art Anzug der reichsstädtische Narrenengel besaß; ob er jene alte Glattlarve mit wahrhaft englischen Zügen trug, die heute in Privatbesitz ist; oder lief er in einer der so streng wirkenden alten Schantlelarven und trug den Stab der Engelsgesellschaft voran? Wenn diese Fragen eine Antwort finden würden, wäre wohl ein Stück fasnachtlicher Neugierde befriedigt und der Narrenengel hätte einen lückenlosen Lebenslauf.

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