wird überarbeitet
Das ist absurd. Die aktuellen Proteste gegen die Kooperation der CDU mit der Afd werden als „linksextrem“ geframt.
Die Wut geht gegen Linke und Grüne, gegen alle, die für eine Demokratie auf die Strasse gehen, die sich gegen eine Vereinnahmung von Rechtsaußen stellt, und natürlich gegen Migranten, die jetzt pauschal als „gefährlich“ gelten.
Diese Wut schallt aus Reden, Interviews, Artikeln und Diskussionen. Sie zerfleddert Wahlplakate und beschmiert sie. Und immer und an allem sollen allen voran die Grünen schuld sein. Man muss nicht Grün wählen, um das schräg zu finden. Leute sind wütend über marode Infrastruktur, über dysfunktionale Einrichtungen, über Krieg, Armut und Migration, und über die Erfahrung, dass es wirtschaftlich nicht pausenlos und immer alles immer besser wird, sondern es auch mal holpert, stagniert, einen Schritt zurückgeht. Über jede Regel, die nicht gefällt, ist man wütend, weil "Freiheitsberaubung", und über alles, was anders, neu und nicht wie „früher“ ist, als scheinbar alles besser war.
Und jetzt sollen die Linken und Grünen auch noch Schuld dran sein, dass Merz GEZWUNGEN war, mit der Afd zu paktieren. Gehts noch? Er hat eine üble Sache im Sinn, und weil man sie nicht mitträgt, ist er gezwungen, sie mit denen durchzuziehen, von denen er versprochen hatte, es würde keine Zusammenarbeit geben, weil sie üble Nummern im Sinn haben? Das ist krass. Und dann sind die Schuld, die nicht mitgemacht haben. Das ist an Absurdität nicht zu überbieten. Eine Brandmauer, die man dadurch vorgibt hochzuhalten, indem man die Politik derer übernimmt, gegen die sie errichtet ist. Und wer nicht mitmacht, ist schuld, dass die Brandmauer fällt. Da bleibt mir glatt die Spucke weg.
Andere Regierungen hätten anders entschieden, in vielem oder allem, sie hätten andere Wege eingeschlagen - aber sie hätten dieselben Baustellen gehabt. Die sind teils global, teils über viele viele Jahre, in denen andere Regierungen am Drücker waren, hausgemacht. Es ist eine Wut so gesehen auch über Wege, die man selbst beschritten hat. Und also ist es absurd, Leute, die diese Probleme - anders gewichtet halt, aber durchaus – auf ihre Weise benennen und ihre Lösungsansätze haben, für die bloße Existenz aller Probleme schuldig sprechen zu wollen.
Andere würdens anders angehen. Zweifellos.
Reduzieren auf ein einziges Thema zum Beispiel ist beliebt - Nur Wirtschaft, NUR Migration, (oder auch Nur Klima),… - als ließe sich das Eine vom Anderen trennen, als müsste man nicht alle Probleme gemeinsam lösen, und als wäre das nicht genau dies das Handwerk seriöser Politik.
Merz hat auf eine Weise panisch agiert, die mir sagt, dass er ein Kanzler würde, wie ihn keine Sau braucht.
Zugegeben - offenbar gibt es viele, die würden die Uhr gerne zurückdrehen auf den selig sorglosen Zustand VOR dem Bewusstsein aller anstehenden Probleme, und die sind von sehr weit rechts bis rechts und bis jetzt also Mitte. Denn wenn ein Merz dieselbe einspurige Gewichtung wie die Afd vornimmt und dieselben Wege einschlägt, so dass die AFD jubelt und moniert, das sei ja alles von ihr kopiert, dann tut er auch nichts anderes als sie - Schuldige suchen und nach Verschärfung und Strafe schreien, damit sich sonst niemand ändern und nichts überdenken muss. Dann sind seine Lösungen eben auch keine Lösungen, sondern Scheinhandeln fürs bessere Wutbürgergefühl. Die eigentlichen Baustellen fallen einem dann später wieder vor die Füße.
Man muss auf Straftaten gewaltbereiter Migranten reagieren. Aber all diese Regeln, um die es da ging, sind weder durchsetzbar noch rechtsstaatlich noch EU-konform. Und auch nicht zielführend. Ein guter Anfang wäre, man wandte die bestehenden Regeln sinnvoll an. Und vielleicht muss man auch welche verschärfen, Regeln für Rückführungen etwa, andere wiederum aber auch vereinfachen, den Zugang zum Arbeitsmarkt zum Beispiel. Und natürlich muss man straffen, damit Leute wissen, was Sache ist, können sie bleiben oder nicht, und wenn nicht, was dann.
Hilfreich wäre auch die gesellschaftlich besser verankerte Erkenntnis, dass Deutschland Zuwanderung braucht. Und dass, weil man sich die Leute eh nicht durchweg passgenau aussuchen kann wie vom Silbertablett, nicht viel dagegen spricht, sie auszubilden und zu integrieren. Integration war, ist und bleibt eine Aufgabe von beiden Seiten. Der Eine passt sich an die Rahmenbedingungen an, die er vorfindet, der Andere akzeptiert das Neue und hilft ihm, sich zurechtzufinden. Wenn eine Gemeinschaft ein neues Mitglied aufnimmt - das gilt mEn ausnahmslos - dann verändert sich diese Gruppe, egal, wie groß sie ist. Das ist nicht weiter schlimm. Wenn man diese Veränderung im Prinzip akzeptiert, dann kann man sie auch lenken.
In Deutschland haben es Fremde schwer und weht ihnen ein zunehmend feindseliger Wind entgegen. Das Narrativ einer gefährlichen Migration verfängt auch bei empathiebegabten und gebildeten Leuten, obwohl die Realität eine andere ist. So wird das dann auch nichts mit gewünschten Formen einer Zuwanderung.
Die Linken und Grünen und viele andere sind einfach nicht bereit, sich von einem rechten Mob, der da so verständnisvoll gehätschelt wird, zu bescheuertem und beschissenem Verhalten treiben zu lassen. Man kommt sich vor wie in der Arena - jeder grölt und will sehen, wer als nächstes den Löwen vorgeworfen wird. Da ist Verweigerung weder elitäre Überheblichkeit noch Realitätsverweigerung. Man finde selbst ein Wort dafür. Es ist in jedem Fall eine legitime, angesichts unserer gesellschaftlicher Erfahrungen und unseres Allgemeinwissens naheliegende Haltung.
Frau Weiss, die hiesige CDU-Bundestagsabgeordnete ist „traurig“ über alles, was links der CDU liegt, (was ziemlich viel ist), und über die mangelnde Kommunikation. Nun - erstmal hat ihr Kanzlerkandidat ziemlich unfein einen mords Bock geschossen, und ein Eingeständnis dahingehend wäre schön - anstatt den schwarzen Peter einfach durchzureichen. Aber vielleicht könnten alle die Messlatte etwas tiefer hängen. „Der Aufstand der Anständigen“ ist genauso überzogen wie eine „Werteunion“, welcher Merz und viele in der CDU - offenbar - eben doch sehr nahestehen, jedenfalls sind "deutsche Werte" in der CDU nach wie vor ein feststehender Begriff und wurzelt das Eine nicht zufällig im Anderen. Weder haben die Einen den Anstand für sich gepachtet, noch die Anderen Werte. Beides ist universell und sehr personenbezogen. Wenn man sich gemeinsam bescheiden und zufrieden sein könnte, die missliche, krisengeschüttelte Lage irgendwie und einigermaßen in den Griff und gelenkt zu bekommen, dann wäre viel gewonnen.