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Corona-Spaziergänge in Rottweil: „Wir sitzen alle in einem Boot“

Rottweils Landrat und OB antworten auf die Fragen aus der Online-Diskussion
copyright Moni Marcel

Der Montag ist der Tag der Spaziergänger in Rottweil. Seit Winter 2021 treffen sie sich immer montags um 18 Uhr in der historischen Innenstadt und protestieren gegen die Coronapolitik. Im Dezember und Januar erreichte die Zahl mit rund 1400 Menschen einen Höchststand. Zuviel für Peter Bruker und Elke Reichenbach, die sich spontan zusammentaten und mit Unterstützung des Stadtjugendrings und weiteren Engagierten aus unterschiedlichen politischen und gesellschaftlichen Gruppierungen am Montag, 17. Januar erstmals eine öffentliche Mahnwache vor dem Alten Rathaus veranstalteten.

Unter dem Slogan „Wir zeigen Gesicht, aber mit Maske“ luden sie in den folgenden drei Wochen zur angemeldeten Menschenkette in der Oberen Hauptstraße ein. „Wichtig war es dabei, Präsenz zu zeigen, deutlich zu machen, dass Rottweil nicht nur von Gegnern der Corononamaßnahmen dominiert wird, sondern viele Bürger*innen die nicht immer leicht verständliche Coronapolitik von Bund und Ländern mittragen und damit die Demokratie stärken“, so Reichenbach und Bruker. Ins Gespräch kam man dabei mit den Spaziergängern nur marginal, darum gab es am 14. Februar ein moderiertes Online-Meeting mit dem Slogan „Ja, wir sollten miteinander reden“. Dem rund zweistündigen Gedanken- und Meinungsaustausch folgten rund 80 Leute, die hier auch ihre Ängste und Kritik an den Coronamaßnahmen, aber auch an der Rolle der Medien und der zunehmenden Spaltung der Gesellschaft äußerten. Zahlreiche unter ihnen forderten die Zusammenfassung der moderierten Runde an, die Bruker und Reichenbach an Landrat Dr. Michel und OB Bross schickten mit der Bitte um Stellungnahmen.
 
Die liegen inzwischen vor, eine Zusammenfassung der sehr umfangreichen Schreiben finden Sie hier:
 
So schreibt der Landrat: Bei der Pandemiebekämpfung stünden sich verschiedene Grundrechte gegenüber, „in einem demokratischen Rechtsstaat gilt nicht das Recht des Stärkeren, vielmehr bedarf es einer demokratisch legitimierten Entscheidung.“ Und: „Jedes Grundrecht hat da da Grenzen, wo das Grundrecht eines anderen tangiert wird.“ Das Recht auf persönliche Freiheit stehe hier gegenüber dem Recht auf körperliche Unversehrtheit, also Kontaktbeschränkung gegen das Recht vulnerablen Gruppen, gesund zu bleiben. Eine nicht leichte Abwägung, doch im Rechtsstaat könnten hier auch Gerichte angerufen werden, die in den letzten Monaten nicht immer für die staatlichen Begrenzungen entschieden hätten. Das mache die Demokratie aus, „deshalb gibt es in Deutschland keine ‚Corona-Diktatur.‘“
 
Demonstrieren, seine Meinung sagen, auch das gehöre dazu, wichtig sei, sich bewusst zu machen, dass auf der anderen Seite auch ein Mensch sitzt, „kein ‚Feind‘ oder ‚Böswilliger‘. Eine Patentlösung für eine nachhaltige Befriedung habe ich freilich nicht. Die Pandemie ist über uns alle hereingebrochen und hat ständig neue und unvorhersehbare Volten geschlagen. Deshalb hat es auch keinen ‚Fahrplan‘ geben können.“ Manche Maßnahmen hätte man rückblickend wohl anders getroffen, so der Landrat. Den Wunsch aus der Runde nach einer Beratungsstelle für Long-Covid-Patienten lehnt er ab, zu komplex sei das Thema, zu viele medizinische Fachrichtungen gefragt.
 
Oberbürgermeister Ralf Broß betont, dass die meisten Wünsche und Forderungen nicht im Zuständigkeitsbereich einer Stadtverwaltung liegen, diese sei nur ausführendes Organ, man habe jedoch „nichts unversucht gelassen, „die Struktur, Sicherheit und Aufrechterhaltung in jedem Bereich und für jede Gruppe zu gewährleisten.“ Dazu habe man die Initiative „Rottweil hilft“ gegründet und Hilfsangebote geschaffen.
„Nach nur wenigen Tagen gab es bereits mehr als 70 Hilfsangebote in den Bereichen Einkaufs- und Telefondienste. Alles das wurde von uns koordiniert.“ Eine eigens eingerichtete Hotline habe älteren Menschen geholfen, einen Impftermin zu bekommen, den Betrieb in den Schulen und Kindergärten habe man so weit möglich aufrechterhalten, die Jugendarbeit angepasst, in den Jugendtreffs Lernplätze eingerichtet, digitale Freizeitangebote und solche im Freien angeboten.
 
Zudem habe die Stadt die Unternehmen unterstützt. Aber: „Auch der Kurs der Politik endete manchmal als Sackgasse in einem Labyrinth voller Gänge. Jeder in Deutschland „hat seinen Anteil dazu beigetragen, dass alle Horrorszenarien abgewandt werden konnten und das Gesundheitssystem und das Leben nicht zusammengebrochen ist.“, so der Oberbürgermeister. Der auch verspricht, man werde die Impulse aus der Runde gerne aufnehmen. Und: In dieser düsteren Zeit rückte „die Stadt Rottweil, unser Land, sogar ganz Europa solidarisch zusammen und gibt uns einen Grund zuversichtlich zu bleiben. Wir sitzen alle in einem Boot und es gilt den Sturm zu bezwingen.“

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