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Ein Haus voller Nähmaschinen für Frauen in Kamerun

Hilfsprojekt von Dr. Houma Kustermann und Jürgen Reiter ein voller Erfolg

Bei manchen Leuten hängt der Himmel voller Geigen. Ein bisschen tut er das auch bei Dr. Houma  Kustermann und Jürgen Reiter, vor allem aber sind es hier Nähmaschinen, die das Haus in der Klippeneckstraße bevölkern. Nähmaschinen in allen Formen und Größen, über 200 Stück. Und das kam so: Zahnärztin Houma Kustermann, die aus Meiganga in Kamerun stammt und dort jedes Jahr viele Menschen mit Lippen-, Kiefer- oder Gaumenspalten operiert, wurde gefragt, ob sie ein Zentrum für Mädchen und junge Frauen in ihrer Heimat unterstützen könnte.

Das "Centre Socio-Ménagère" wurde von Houmas Großmutter Martha Houma Yagong gegründet, nun hat die Pandemie es in große Schwierigkeiten gebracht. Also beschloss die Enkelin zu helfen. Von den 25 Nähmaschinen des Zentrums sind nach 30 Jahren nur noch drei funktionstüchtig. Und sie werden dringend gebraucht: Neben Lesen und Schreiben lernen die Schülerinnen hier den Beruf der Schneiderin, so können sie nach der Ausbildung ihr eigenes Geld verdienen. "Das Zentrum hilft Mädchen und jungen Frauen im Alter zwischen 14 und 30 Jahren, die oftmals sehr jung mit überwiegend älteren Männern verheiratet wurden. Sie sind entweder von ihren Ehemännern weggelaufen, verwitwet oder Vollwaisen", erzählt Dr. Houma Kustermann.

Also startete sie mit ihrem Partner Jürgen Reiter einen Nähmaschinen-Spendenaufruf, mit überwältigendem Erfolg. Zunächst suchten sie per Kleinanzeigen nach gebrauchten Maschinen, dann wurde daraus schnell eine regelrechte Welle. Neben den 200 Nähmaschinen, viele davon sind alte, mechanische mit Fußantrieb, kamen ganze Ballen Stoffe an sowie jede Menge Zubehör von Knöpfen über Reißverschlüsse bis zu Bändern an. "Da steckt ganz viel Herzblut drin", weiß Jürgen Reiter. Ältere Damen brachten ihre Sachen, feinsäuberlich sortiert und beschriftet, andere die heißgeliebte Maschine der Oma, auf der sie das Nähen gelernt hatten. "Viele haben ihre nur hergegeben, weil sie wissen, dass sie diesen Frauen helfen, viele haben sie sogar extra noch repariert." Eine der Maschinen stammt aus dem Hause Sauter, auf ihr wurden unzählige Rottweiler Narrenkleidle genäht, "wir haben sogar die Originalrechnung bekommen, sie kostete damals 600 Mark", erzählt Jürgen Reiter. Auch der Wäschehersteller Mey aus Albstadt folgte dem Spendenaufruf, unter anderem kümmerten sich die dortigen Mechaniker darum, dass die Maschinen funktionstüchtig sind.

Und weil so viel Herzblut in den Spenden steckt, ist es nun eine große Aufgabe, sie unversehrt nach Kamerun zu bringen. Alle Maschinen müssen in wasserfeste Kisten verpackt werden, dann kommen sie in Schiffscontainer. In Afrika angekommen, ist es die nächste Herausforderung, sie bis nach Meiganga zu transportieren. Dafür haben Houma Kustermann und Jürgen Reiter auch viele Geldspenden bekommen. Ein Teil davon ist bereits in Kamerun angekommen, denn viele der Schülerinnen konnten wegen Corona ihr Schulgeld nicht mehr bezahlen. Auf der Facebook-Seite von Zutua Meiganga, so heißt der Verein zur Unterstützung des Zentrums, kann man sehen, welche Begeisterung die Nachricht bei den Schülerinnen auslöste - Jubel und Freudentränen gab es da.

Im Herbst sollen die Spenden in Meiganga sein, Houma Kustermann und Jürgen Reiter planen, dabei zu sein. Denn ihnen ist es ganz arg wichtig, dass das Projekt nachhaltig ist und langfristig hilft. Wichtig wären beispielsweise mehr Lehrerinnen, damit noch mehr Schülerinnen aufgenommen werden, denn die Ausbildung ist sehr begehrt. In Kamerun ist es nämlich üblich, sich zu besonderen Anlässen neu einzukleiden, zudem tragen die Schüler Schuluniformen – der Bedarf an guten Näherinnen ist also groß. Houma Kustermann und Jürgen Reiter denken auch darüber nach, dort Genähtes in Rottweil und Umgebung zu verkaufen. Die Ideen gehen ihnen also nicht aus, und Unterstützung haben sie auch, unter anderem von mehreren Rentnern, die mit fleißig anpacken.

Houma Kustermann erzählt gerne von ihrer Großmutter Martha Houma Yagong. Nicht nur, weil diese außergewöhnliche Frau ihre Enkelin großzog, sondern weil die aus einfachen Verhältnissen stammende Frau erkannte, welche Hilfe nötig war und schon 1954 ein Projekt gründete, wo Frauen Lesen, Schreiben und Hauswirtschaft lernten. Zehn Jahre später rief sie eine der heute größten Frauenbewegungen Kameruns ins Leben, „Les femmes pour Christ“, die heute das Zentrum in Meiganga betreiben. Martha Houma selbst lernte Lesen und Schreiben übrigens von ihrem Ehemann Pierre Yagong, einem Zahnarzt. Für ihr Engagement wurde sie von der Regierung mit einem Orden ausgezeichnet, der dem deutschen Bundesverdienstkreuz entspricht. Ihre Enkelin Houma studierte in Kamerun Lebensmitteltechnik, als sie eine Delegation junger Ärzte aus Deutschland kennenlernte, die Kinder mit Kiefer- und Gaumenspalten behandelten. Einer der Mediziner überredete die 23-Jährige, in Deutschland Medizin zu studieren. Heute betreibt Houma Kustermann ihre Kinder- und Jugend-Zahnarztpraxis in Rottweil und operiert zweimal im Jahr selbst Kinder und Jugendliche mit dieser in Afrika weit verbreiteten Krankheit. Für die OP-Termine reisen Eltern mit ihren Kindern sogar aus Kameruns Nachbarstaaten Nigeria, Tschad und Gabun an.
Mehr dazu gibt es unter www.zutua.org und hamami.org


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