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copyright Michael Edel

S`goht dagega…und in diesem Jahr goht´s ganz komisch dagega! Heut am Wochenstart zur Fasnetswoche fühle ich mich komisch. Normalerweise befinden sich Jutta und ich, als Bockshof und Testturm in der aufgeregten Endphase vor dem großen Auftritt am Schmotzigen Donnerstag. Showdown souzusagen…aber in diesem Jahr ist alles anders. Kein Auswendiglernen der Texte, kein gemeinsames Singen und Einstudieren der Songs und auch die bekannte Anspannung und Aufregung fehlt komplett. Wir vermissen es!

Gestern Abend, zur besten Tatort-Zeit haben sich Jutta und ich noch unterhalten, wie unser Fasnet war, als wir im zarten Alter von 16 Jahren waren? Komisch, der Gedanke allein erzeugte in mir angenehme Gefühle. Wie war das denn damals bei mir und meine Hirnwindungen liefen zur Höchstform auf.

Ich war zu diesem Zeitpunkt noch auf dem wohlbekannten Leibniz-Gymnasium und traditionell wurden die Schüler auch schon damals nach der großen Pause in das fasnetliche Treiben Rottweils entlassen. In kleinen Gruppen ging es dann auch schon mit großem Radau Richtung Stadtmitte. Kaum im Wäldle angekommen, wurde auch schon die erste Kippenschachtel durch die Menge gereicht und in jedem jugendlichen, kaum mit Bartwuchs versehenem Mundwinkel landete cool und lässig eine Zigarette. Die ganz Harten brannten die Sargnägel dann auch tatsächlich noch an und mit „ Huch, da Vatter kunnt!“  verbreitete sich der giftige Rauch in den jungfräulichen Lungen. Ich erinnere mich noch ganz genau, dass in manchen Augen Feuchtigkeit aufgestiegen ist, aber vor lauter Coolness musste man sich die Tränen unterdrücken, welche durch den Hustenreiz ausgelöst wurden.

Alkohol gab es zu dem Zeitpunkt als wir die Schule Richtung Stadtmitte verließen noch nicht, aber jeder in der grölenden Gruppe wusste, dass die Mark vom Taschengeld, oder vielleicht extra noch bei der Oma erbettelt, in der Hosentasche für diese Art von Rauschmittel investiert werden wird. Unser Weg führte meist an jenem Imbiss vorbei, welcher uns in der Königstrasse gegenüber der Bushaltestelle mit seinem fettigen Angebot empfing und sich die meisten aus der halbwüchsigen Truppe mit einer Portion Pommes noch stärken konnten. Gestärkt und mit neuen Ketchup-Flecken auf dem weißen Hemd versehen, welches zu dieser Zeit obligatorisch zu dem ansonsten generell dunklen Outfit, bestehend aus altem Hochzeitsanzug vom Vater gehörte, ging es weiter. Damals bestand zu diesem Zeitpunkt meine Schulklasse nur aus Jungs und deshalb waren die Mädels aus den anderen Schulen und Klassen sehr gern gesehene Gäste in unserer Mitte. Das ganze Jahr über hatte man sich bereits auf die eine oder andere junge Damen eingeschossen und diese auch hoffnungsvoll, während den Pausen im Wäldle mit pubertären Kontakt-anbahnungsversuchen attackiert. In manchen glücklichen Fällen wurden sogar positive Signale zurückgesandt und es kam zu weiteren Zusammentreffen und Verabredungen…wie zum Beispiel an der Fasnet!

Mit 16 zarten Jahren war ich zwar körperlich stattlich ausgewachsen, aber im Kopf leider noch etwas ängstlich zurückhaltend und deshalb wohl in meinem Auftreten nicht ganz so begehrenswert wie im Gegensatz zu manchen Klassenkameraden. Meine blonde Herzensdame, welcher ich schon heimliche Liebesbriefe und anonyme Postkarten aus dem Urlaub gesendet hatte, war leider nicht bei den dazustoßenden Mädels dabei aber das veränderte die ausgelassen Stimmung der jetzt gemischten Gruppe keineswegs.

Unser Weg, Arm in Arm mit dem weiblichen Geschlecht führte über die Hochbrücke Richtung Stadtmitte. Zweiter Stopp Pfannkuch, damals ein Lebensmitteleinzelhändler mit Außen Verkauf für Obst und Gemüse. Erdbeerschaumwein sollte dort vom Erwachsen aussehenden Mitglied der Gruppe käuflich erworben werden…also von mir! Nicht wie heutzutage, wo jedes Pubertier schon mit getarnten Eistee-Tetrapaks, halbvoll gefüllt mit Wodka in der Schule aufschlägt und bereits im Schulbus mit einem Promille Alkohol im Blut laut herumgrölend auffällig wird, musste mit schweißnassen Handflächen zwei Flaschen des spritzig sprudelnden Getränks an der Kasse gekauft werden. Nur wer den prüfenden Augen der Kassiererin standhielt, wurde mit Erfolg und Alkohol belohnt. Auch im Jahr 1984 lief alles glatt und alle Anwesenden waren stolz wie Oskar…es war einfach etwas Besonderes!

Nachdem die ergatterten Flaschen dann geleert waren, zog der Trupp weiter. Es gab nicht wirklich viele Möglichkeiten, wo wir unserem Feiertrieb nachgehen konnten. Geheimtipps waren damals das Quisiana am Friedrichsplatz, welches mit leckerer Schaschlick-Sauce auf den Pommes und keiner Altersnachfrage wenn man sich ein Bier bestellte und das „Grillastüble“ oder auch Jägerstüble unterhalb des schwarzen Tors. Der Betreiber vom Grillastüble hatte meist zum Schmotzigen seine Bestuhlung zur Seite gerückt und lockte die jungen Narren mit lauter Musik in seine Beiz. Wer in dieser Kaschemme angekommen ist, war meistens auch schon leicht angedusselt und wurde oft von den über-schwappenden Anhänglichkeiten der heranwachsenden Fräuleins überwältigt. Dort stand sie, meine heimlich verehrte blonde Schönheit aus Villingendorf, umringt von Testosteron getriebenen Jungbullen mit geschwollener Brust. Trotz meiner aus aller herausragenden Größe, sie sah mich nicht und ich wollte bereits das Schlachtfeld wieder verlassen, denn um 12:30 ging ja auch schon der Bus wieder zurück Richtung Bergdorf. Ich schob mich durch die tanzende und feiernde Menge, als mein Herz plötzlich spürbar zu beben begann. „Gehst du schon? Hey, ich bin (Name wird nicht verraten)!“ Meine blonde Schönheit fiel mir um den Hals und begann mit mir wild zu knutschen… Ein Geschmack von Bier, Schnaps und Zwiebel verbreitet sich in meinem Mund und ich löste die Umarmung ziemlich schnell. Das Objekt der Begierde war ziemlich stark betrunken und suchte einzig nur einen Grund um sich aus der Belagerung durch die Jungbullen zu befreien. Ich begleitet den Blondschopf unterstützend auf die Straße, wo sie auch schon von einer Freundin in Empfang genommen wurde. Ich verabschiedete mich, ohne überhaupt meinen Namen zu nennen und machte mich schnellstmöglich auf den Weg nach Hause.

Ich habe diese Mädel nur noch einmal bewusst wahrgenommen, beim Abschlussball meines Tanzkurses in der Tanzschule Herzig. Einer der Jungbullen, ein italienischer Frisör, hatte ihr wohl die besten Dauerwellen versprochen und somit ihr Herz erobert…und das ist gut so, denn seit diesem Tage habe ich mir eine Allergie auf betrunkene Damen eingehandelt, welche bis heute unheilbar ist!

Fasnet 1984, es war schön, unbeschwert, locker und aufregend. Wenn wir allerdings heute am Schmotzigen Abend, kurz bevor wir auf unsere Tour mit Bockshof und Testturm gehen das schwarze Tor hochlaufen und die jugendlichen Alkoholleichen mit ihren Hinterlassenschaften sehen, wird uns bange. Wenn wir dann heile in Zizenhausen angekommen sind und keine Blessuren von zerschlagenen Bier und Schnapsflaschen erlitten haben, fragen wir uns, was das mit Fasnet zu tun haben soll…Früher war es einfach schöner!

Hinweis: Die in dieser Kolumne geäußerten Ansichten und Meinungen sind allein die des/der Autors/Autorin und spiegeln nicht notwendigerweise die Ansichten unserer Redaktion wider. Wir übernehmen keine Verantwortung oder Haftung für den Inhalt dieser Kolumne.

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