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Von historischen Denkfehlern und diebischen Zöllnern

Tobias Kammerer stellte in Hausen sein neues Buch vor

Nun ist also auch die Kunst in das kleine Café „FritzundFridda“ in Hausen eingekehrt. Inhaber und Vorsitzender von „Prima Hausen“, Dominik Jauch, freute sich am Sonntagabend sehr darüber, und über die zahlreichen Gäste, die von Rita Efinger-Keller und Ralf Trouillet mit Flöte, Gitarre und Gesang unterhalten wurden. Die Kunst kam von Tobias Kammerer und seinem neuen Buch „...von der Poesie der Farben“. Entwürfe seiner Kirchenausmalungen hängen schon eine Weile an den Café-Wänden, nun gab es den kunstgeschichtlichen Hintergrund und die vielen spannenden Geschichten ihrer Entstehungen dazu.

Kammerer erzählte zunächst von seinem Vater, der Rottweil in den 50er-Jahren ziemlich grau erlebte, und der dann viele Häuser bemalen durfte, damals noch recht frei, denn das Denkmalamt mischte sich erst später ein. Das, aber vor allem seine Lehrmeister Arik Brauer, Friedensreich Hundertwasser und Josef Mikl in Wien, inspirierten den jungen Kunststudenten, Künstler, die in vielen Disziplinen unterwegs waren, Gesamtkunstwerke schufen und, ja, eben Farbe in die Architektur brachten.

Steingraue Gebäude als Reminiszenz an die Antike sind, stellte er klar, ein historischer Denkfehler. Man einst ging angesichts von farbloser Akropolis und Co davon aus, dass die auch früher so dastanden. Taten sie aber nicht, im Gegenteil, sie waren so bunt, wie es die damalige, auf Kalk, Mineralien und Quark basierender Farbpalette eben hergab.

Bunt bemalte Kirchen mit kunstvollen Ornamenten gab es lange, dass sie „verweißlicht“ wurden, ist ebenfalls im historischen Kontext zu sehen, wie Kammerer erläuterte. Da war zum Einen die Notwendigkeit in Zeiten der Industrialisierung, schnell viel Wohnraum zu schaffen – vorbei war die Zeit der kunstvoll in Stein gehauenen Verzierungen. Kaiser Joseph habe beim Anblick eines solchen „kahlen“ Gebäudes neben seinem die Rollläden in diese Richtung geschlossen halten lassen, erfuhr das Hausener Publikum. Da war, zum Anderen, das Bauhaus mit seinen klaren Strukturen, aber auch hier wurde bunt bemalt, wie Kammerer anhand seiner Bilder belegte. Eine Luftaufnahme eines Neubaugebiets – nein, nicht die Spitalhöhe in Rottweil, aber es hätte sie sein können – zeigte eine vermutlich falsch verstandene neue Version der klassischen Moderne gänzlich in grau und weiß.

Und dann waren da, zum Dritten, die Nationalsozialisten mit ihrer monumentalen Verehrung der Antike, die die Künstler und Architekten in der Nachkriegszeit ablehnten. Also nahm Schlichtheit Einzug in die Gotteshäuser, in denen Kammerer und sein Team oft genug unter der weißen Farbe die bunten Bemalungen herauskratzten. Er selbst brachte in unzählige Kirchen neue Farbigkeit, auf seine ganz eigene Art. Odessa ein Beispiel, die längste Arbeit seines Lebens, 12 Jahre half der Rottweiler Künstler dort mit, die zerstörte St. Pauls-Kirche wieder aufzubauen und gestaltete sie farbig. Aus der Diözese Regensburg kamen dafür barocke Heiligenfiguren samt ihrer güldenen Strahlenpracht – letzteres für eine evangelische Kirche nicht wirklich angebracht, fand Künstler Kammerer damals. Und der ukrainische Zoll tat ihm den Gefallen, das Gold wurde konfisziert, die Figuren, nun einiges schlichter, bekamen ihren Platz in Odessa.

Tobias Kammerer erzählte auch von der gewaltigen Aufgabe, riesige Deckengemälde in die hohen Gewölbe zu bringen. Denn die Arbeit auf eigens eingezogenen Zwischenböden geht meist nur mit künstlichem Licht, und so fehlt der Überblick. Es sein kein Problem, seine kleinen Entwürfe in die passende Größe zu übertragen, sie dann aber in genau den Farben und Schattierungen aufzutragen schon. Hier hilft die Erfahrung und das genaue Wissen um die Pigmente, mit denen er arbeitet. So gelang es ihm auch immer wieder, barockes Himmelsgefühl in zuvor weiß angestrichene Gewölbe zu zaubern.

Und ja, auch Kammerer liebt das Gesamtkunstwerk, wenn er neben den Ausmalungen mit ihrer liturgischen Sprache auch Altar, Ambo und anderes gestalten darf. In der Frauenfriedenskirche entwarf er sogar die passenden Priestergewänder dazu.

Eine Geschichte durfte ebenfalls nicht fehlen, nämlich die von der Rottweiler Friedhofskapelle. Die Kammerer ausgestalten wollte, ein Sponsor war gefunden, doch bis das Okay dafür kam, dauerte es vier Jahre. Der Sponsor hatte inzwischen sein Geschäft aufgegeben, der Professor, der die Fenster der Kapelle gestaltet hatte, gestorben, und Tobias Kammerer saß nach seinem schweren Sturz im Rollstuhl. Dennoch nahm er das Projekt in Angriff, der Sponsor sponserte trotz allem, das Ergebnis kann sich sehen lassen. Dass es dann sogar noch mit dem Engel auf dem Vorplatz etwas wurde, freut den Künstler heute noch. Denn für den war zunächst eine weniger prominente Stelle vorgesehen, dann wurde das Aufstellen von höchster Stelle verboten, und heute steht er prominent gleich beim Friedhofseingang. Manchmal geschehen eben noch Wunder...

Das Buch „...von der Poesie der Farben“ ist im Schnell + Steiner Verlag erschienen.
Es kostet 59 Euro und ist in der Buchhandlung Klein in Rottweil erhältlich.

Eine weitere Buchvorstellung gibt es am 15. Juli um 17 Uhr am Oberrotenstein bei Hausen.

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