In einer Facebook-Diskussion um Folgen und Ausformungen des gegenwärtigen Wirtschaftens fiel das Wort „Umverteilungsmentalität“, abfällig konnotiert, und das ging mir nicht mehr aus dem Sinn.
Ich frage mich, was denn das Gegenteil zu „Umverteilungsmentalität ist, oder, der negativen Konotoierung folgend, die bessere Alternative? Eine „Alles meins Mentalität“? Oder eine „Jedem das Seine Mentalität“? Was jede/r verdient, gehört ihm auch? Umsatz gleich Gewinn? Es wabert das „Un-Wort“ „Un-Kosten“ mit, die es nicht gibt. Denn natürlich gibt es nur Worte, keine Unworte, und nur Kosten, keine Unkosten.
Und gilt „Jedem das Seine“ dann sowohl für die Superreichen wie für die Bitterarmen, die Bulldozer unter den Starken wie für die Schwachen, die Gesunden wie die Kranken? Wer würde „krank“ definieren?- die Gebenden? , die Vermögenden und Arbeitgeber? Und wer würde „reich“ und „arm“ definieren? „In der amtlichen Statistik gilt üblicherweise als relativ einkommensreich, wer das Doppelte des Medianeinkommens monatlich zur Verfügung hat“, sagt Google. Die Definition von Armut ist gekoppelt an den Lebensstandard der Gesellschaft, um die es geht. In Deutschland gelten Menschen als arm, wenn sie weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens zur Verfügung haben. Das macht Sinn.
Hat nicht der Umstand, dass die Beantwortung dieser Fragen komplex ist, dazu geführt, dass man sich bei der Überlegung, was für eine Gesellschaft man sein will, für eine soziale Marktwirtschaft entschieden hat?
Es gibt Unterschiede. Akademiker*innen und Unternehmer*innen leben besser als Hilfsarbeiter*innen. Das ist voll okay. Aber der Lebensstandard des Arztes in den 70ern ist heute Standard für alle – die Häuser sind alle größer geworden, die Autos schwerer und mehr, die Urlaube exklusiver, die Schränke voller. „Wachstum“ beschränkt sich nicht auf eine Gruppe Auserwählter, sondern bezieht sich auf die ganze Gesellschaft, in der es da wächst. Alles ist „mehr“ geworden und teurer, vielleicht auch der Umverteilungsschlüssel. Wachsen tut es für alle.
Gutverdienende Unternehmer*innen und Akademiker*innen leben nach wie vor besser als Geringverdienende oder Arbeitslose. Und das ist immer noch voll okay. Ich sehe das Problem daher nicht. Und außerdem ist da noch dieser andere Reichtum, der vollkommen leistungsfrei wächst und nach oben offen jedes Vorstellungsvermögen sprengt.
Wenn Leute in Bahlsen und Springer investieren, zum Beispiel, und Bahlsen alles daran setzt, Gewinne mit Kartoffelchips und Schokoladenkeksen zu machen, wie die Springerpresse mit platten Inhalten, dann muss man sich nicht mokieren über Leute, die chips- und keksfutternd Unsinn im Kopf haben. Gewinner produzieren auch Verlierer. Und Umverteilung ist Chancenausgleich, der mit jeder Generation neu ausgehandelt werden muss.
„In Deutschland ist es ja so: Jede Subvention der Autoindustrie gilt als Marktwirtschaft. Und jede Investition in unsere Kinder als Sozialismus“. Sagt Bern Ulrich von der Zeit. So ist es. Ich sehe das Negative an der „Umverteilungsmentalität“ nicht.
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