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„Das Problem ist nicht der Motor, sondern der Kraftstoff“

Sind synthetische Kraftstoffe eine Option für den Klimaschutz?

Die E-Mobilität nimmt nicht so schnell Fahrt auf, wie es im Interesse des Klimaschutzes wünschenswert wäre. Die Akzeptanz bei den Autofahrern ist noch zurückhaltend, was dazu geführt hat, dass selbst der Marktführer Volkswagen kürzlich die Produktion von E-Autos drosselt und Arbeitsplätze abgebaut hat. Die Nachfrage liegt dabei fast 30 Prozent unter den ursprünglich geplanten Produktionszahlen.
In dieser Lage wird deutlich, dass es einer alternativen Lösung bedarf.

Foto copyright Gustavo Fring CC0 Creative Commons

Die zögerliche Annahme von Elektrofahrzeugen ist auf verschiedene Faktoren zurückzuführen, unter anderem auf finanzielle und praktische Aspekte:

Finanzieller Aspekt: Die Anschaffung eines E-Autos kann eine teure Angelegenheit sein. Wenige Kleinwagen sind bereits ab einem Preis von rund 30.000 Euro erhältlich, während weitgehend familientaugliche Modelle meist erst ab 40.000 Euro zu finden sind. In wirtschaftlich unsicheren Zeiten, begleitet von Inflation und hohen Energiepreisen, neigen die Verbraucher zur Kaufzurückhaltung.

Praktischer Aspekt: Selbst wenn die Kosten keine Hürde darstellen, werfen die unzureichende Ladeinfrastruktur [Link zu den Ladestationen in Rottweil], die komplizierte Zahlungsabwicklung und die begrenzten Reichweiten der E-Autos Fragen auf. Für Familien mit einem kleineren Budget wird die Auswahl eingeschränkt: zu viele SUVs, zu viele Sportwagen und zu wenige Familienautos.

Bisher konnten die bereitgestellten Fördermittel nicht die erhofften Anreize schaffen. Bis Ende 2022 hat die Bundesregierung insgesamt 2,5 Milliarden Euro für die Kaufprämien von Elektroautos bereitgestellt. Gleichzeitig sind Mittel für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs (ÖPNV) erforderlich. Zudem kommen diese Förderungen nur denen zugute, die den nach wie vor hohen Kaufpreis aufbringen können und die Möglichkeit haben, ihr Fahrzeug möglichst nahe an ihrer Wohnung zu laden. In den Städten stellt sich dies als besonders herausfordernd dar.

Nicht nur Klimaschutz – auch ein wirtschaftlicher Faktor

In Baden-Württemberg sind allein fast eine halbe Million Menschen im Fahrzeugbau, der Zulieferindustrie, im Kfz-Handwerk oder Vertrieb beschäftigt. Politiker und die Automobilindustrie selbst befürchten durch den politisch forcierten Umstieg auf die E-Mobilität einen Verlust von Jobs und Wohlstand, der in Deutschland über 400.000 Arbeitsplätze gefährden könnte. In wirtschaftlich und politisch unruhigeren Zeiten sollte eine wirtschaftliche Perspektive eine Grundvoraussetzung sein.

Die Technologie zur Entwicklung von E-Fuels kann eine Chance darstellen, Arbeitsplätze zu schaffen und Deutschlands Anspruch als Technologiestandort zu untermauern. „Derzeit stammen rund 19 % aller für die E-Fuels-Produktion benötigten Elektrolyseure aus Deutschland – dicht gefolgt vom aufstrebenden Wasserstoffland Japan. Diesen Technologie- und Wissensvorsprung gilt es zu nutzen.“ Die Weiterentwicklung der Elektrolysetechnologie kann weltweit exportiert werden und maßgeblich zum Klimaschutz beitragen. Sie kann eng mit der Entwicklung der Wasserstofftechnologie verzahnt werden, ein Projekt, das in Baden-Württemberg parteiübergreifend bereits vorangetrieben wird und das potenziell als „Kraftstoff“ für den Antrieb von Motoren und Fahrzeugen genutzt werden könnte.

E-Fuels ("Electrofuels") sind synthetische Kraftstoffe, die es ermöglichen, heutige Verbrennungsmotoren ohne weitere Modifikationen in Diesel-, Benzin-Fahrzeugen oder Flugzeugen zu betreiben.
Sie werden durch die Nutzung von Strom aus Wasser und Kohlenstoffdioxid (CO2) erzeugt. Das daraus gewonnene E-Benzin, E-Diesel oder E-Kerosin kann wie herkömmlicher Kraftstoff verwendet und über das bestehende Tankstellennetz vertrieben werden.

Der aktuelle Anteil reiner Batterie-Fahrzeuge an der Gesamtanzahl der Autos liegt bei gerade einmal 2 Prozent. 1,5 Millionen Deutsche planen in den kommenden Jahren die Anschaffung eines PKWs, wobei nur ein Drittel davon einen Neuwagen ins Auge fasst. PKWs werden durchschnittlich bis zu 18 Jahre genutzt, und das Durchschnittsalter der zugelassenen Fahrzeuge liegt bei 10 Jahren. Verbrennungsmotoren werden auch in den nächsten Jahren das Straßenbild dominieren. Der bestehende Fahrzeugbestand kann bei den Bemühungen um den Klimaschutz nicht ignoriert werden.

Gleichzeitig sind ambitionierte Klimaziele zu berücksichtigen. Daher müssen weitere Möglichkeiten in Erwägung gezogen werden, um den Einsatz fossiler Brennstoffe zu minimieren.

Das Problem ist nicht der Motor, sondern der Kraftstoff

Die durchschnittliche Lebensdauer eines Fahrzeugs beträgt beispielsweise in Deutschland 18 Jahre. In anderen Ländern kann sie noch höher sein. Das heißt: Statistisch werden alle neuen Fahrzeuge, die wir heute auf der Straße sehen, auch 2040 noch unterwegs sein.
Michael Steiner, Porsche Entwicklungsvorstand

Ist der zeitnahe Einsatz realistisch?

Bereits heute ist es möglich, alle mit Benzin und Diesel betriebenen Fahrzeuge ohne zusätzliche Anpassungen mit E-Fuels zu betreiben. Die bestehende Tankstelleninfrastruktur ermöglicht eine nahtlose Integration von E-Fuels in das aktuelle Kraftstoffversorgungssystem und bietet eine flexible Lösung zur Reduzierung der CO2-Emissionen, ohne die Mobilitätsanforderungen zu kompromittieren. Ähnlich wie bereits bei E10 möglich, könnten E-Fuels dem konventionellen Kraftstoff beigemischt werden.

Links zum Thema:
Forschungsergebnisse aus Karlsruhe: Re-Fuels sind alltagstauglich
19.09.2022 - SWR
www.swr.de
Freiberger Forscher: "E-Fuels sind sofort einsatzbereit"
18.03.2023 - stern
www.stern.de
ADAC nach Praxistest: „eine gute Ergänzung zum Markthochlauf der Elektromobilität“
06.12.2022 - ADAC
www.adac.de

 

Das kostet es dem Autofahrer

Der Kraftstoffverbrauch von E-Fuels soll dem herkömmlichen fossilen Kraftstoff 1:1 entsprechen. Aufgrund der höheren Reinheit des Kraftstoffs könnte sogar ein geringerer Verbrauch erzielt werden. Aktuell liegt der Preis für E-Fuels noch bei fünf bis sechs Euro pro Liter. Um von den Verbrauchern akzeptiert zu werden, muss der Preis deutlich gesenkt werden. Dies könnte – wie bei jeder neuen Technologie – durch eine deutliche Erhöhung der Produktionsmengen, Steigerung der Effizienz bei der Produktion, Ausbau der erneuerbaren Energien, Errichtung von Produktionsstätten in sonnen- und windreichen Ländern, Nutzung überschüssiger/ungenutzter Energie sowie Fördermaßnahmen und steuerliche Entlastung des synthetischen Kraftstoffs erreicht werden. Aktuell machen etwa 48% des Benzinpreises Steuern und Abgaben aus.
Thomas Koch, Verkehrsprofessor am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), äußerte in einem Interview, dass „eine großflächige E-Fuels-Produktion langfristig Kraftstoffkosten unter einem Euro pro Liter ermöglichen wird“. Zum Vergleich: Der Produktpreis für einen Liter E10 liegt bei 73,4 Cent.

Die Herausforderungen

Der Bedarf an erneuerbarer Energie für die Produktion von E-Fuels ist signifikant höher, verglichen mit der direkten Verwendung des Stroms zum Laden eines E-Autos. Dies ist auf Energieverluste bei der Umwandlung von elektrischem Strom in synthetischen Kraftstoff zurückzuführen. Daher ist es wesentlich, E-Fuels in den Regionen zu produzieren, in denen erneuerbare Energien wie Sonne und Wind intensiv und kontinuierlich zur Verfügung stehen. Unter diesen Voraussetzungen könnte die Effizienz eine weniger entscheidende Rolle spielen, solange die Energie nicht ungenutzt bleibt.

Links zum Thema:
Synthetische Kraftstoffe: Sind E-Fuels die Zukunft der Mobilität?
ADAC, 15.05.2023
Ein Forschungsprojekt des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) zielt darauf ab, den Wirkungsgrad in der E-Fuels-Produktionskette deutlich zu erhöhen, wobei bis zu 60% Effizienz durch die Verwendung eines neuen Synthesereaktors, der weniger Prozessenergie benötigt, erreichbar sein könnten
www.adac.de
Wie ein innovativer Katalysator die Herstellung von E-Fuels revolutioniert
Ingenieur.de, 22.11.2021
US-Ingenieure haben die Effizienz der E-Fuel-Produktion durch die innovative Beschichtung katalytisch aktiver Kupferoberflächen mit Polymeren verbessert
www.ingenieur.de
Kraftstoffe der Zukunft im Test: Sind E-Fuels wirklich umweltfreundlich?
ADAC, 06.12.2022
„Der Clou der Technologie: Bei der Herstellung von E-Fuels kann CO? der Atmosphäre entzogen werden. Geschieht der Prozess mithilfe von regenerativem Strom aus Wind und Sonne, sind E-Fuels als klimaneutraler Energieträger nicht zu schlagen.“
www.adac.de
„Grundsätzlich erlaubt es die Vielseitigkeit von E-Fuels, fossile Brennstoffe praktisch 1:1 zu ersetzen, ohne dass dafür auf der Verbraucherseite große Investitionen stattfinden müssen.“
wikipedia.org

 

Umweltschutz darf nicht auf der Strecke bleiben

Bei der Nutzung von E-Fuels wird nur so viel CO2 freigesetzt, wie zuvor bei ihrer Produktion aus der Atmosphäre entnommen wurde. Voraussetzung für die CO2-Neutralität der E-Fuels ist jedoch, dass der für ihre Produktion benötigte Strom aus erneuerbaren Quellen stammt und das Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre oder anderen nachhaltigen Quellen entnommen wird.
Wie bei herkömmlichen Verbrennern werden auch beim Einsatz von E-Fuels Stickstoffoxide (NOx-Emissionen) freigesetzt. Durch die höhere Reinheit von E-Fuels (im Vergleich zu Diesel-Kraftstoffen), den Einsatz von Katalysatoren, die Optimierung der Motoren und umsichtiges Fahrverhalten können NOx-Emissionen jedoch deutlich verringert werden. Von 1990 bis 2021 reduzierten sich die NOx-Emissionen aus dem Verkehrssektor um fast 75%.

Ähnliche Herausforderungen ergeben sich auch bei der Produktion von Batterien für E-Autos: Die Gewinnung der benötigten Rohstoffe wie Lithium, Kupfer, Kobalt, Graphit und Nickel ist umweltbelastend, die Rohstoffe sind endlich und der Wasserverbrauch bei der Gewinnung ist immens. Darüber hinaus fehlt ein verbindliches Konzept für die Entsorgung bzw. das Recycling von Alt-Batterien. Zudem erfordert der rasche Umstieg auf Elektromobilität den Einsatz vieler Ressourcen und viel Energie.

Fazit:

Praktikabler Klimaschutz erfordert realisierbare Alternativen.
Es gibt nicht die eine Lösung für alle(s).
Die bestehende Fahrzeugflotte sowie die wirtschaftlichen Aspekte der Industrie, die maßgeblich zum Wohlstand beitragen, müssen gleichermaßen berücksichtigt werden.
Hierfür sind politische Rahmenbedingungen für Rechtssicherheit, Abbau bürokratischer Hürden und Planungssicherheit notwendig, um Investitionen zu fördern.

Mit der Produktion von E-Fuels können die Bemühungen um Dekarbonisierung und den konsequenten Ausbau regenerativer Energien ein höheres Niveau erreichen; sie könnten quasi der „Motor“ hierfür sein. Der aktuelle Energiemix ist noch weit davon entfernt, wirklich CO2-neutral zu sein. Die Devise für die künftige Mobilität – unabhängig von der Antriebstechnologie – muss lauten: Erneuerbare Energien müssen deutlich ausgebaut werden.

Vor allem gilt es, Klimaschutzmaßnahmen zu initiieren, die die Menschen „mitgehen“ können. Zwang und Einschränkung der mobilen Freiheit würden lediglich zu Widerstand führen. Möglicherweise sind E-Fuels nur eine Zwischenlösung, doch eine, die kurzfristig für die bestehende Fahrzeugflotte umgesetzt werden kann.

Klimaschutz benötigt rasche Lösungen. Wir können nicht warten, bis sich alle ein E-Auto zugelegt haben oder der ÖPNV flächendeckend ausgebaut ist. Das Klima ist stets global zu betrachten. Wir benötigen praktikable Lösungen, die über die Landesgrenzen hinaus anwendbar sind.

Bei der Frage nach der besten Antriebstechnologie sollten wir sowohl den aktuellen Stand der Technik berücksichtigen als auch das Potenzial künftiger Effizienzsteigerungen in Betracht ziehen. Dies gilt sowohl für E-Fuels als auch für die E-Mobilität. Die Forschung am Standort Deutschland ist dabei ein wesentlicher Aspekt. Aktuelle Probleme sollten als Herausforderung für die Ingenieure gesehen werden.

Der Ausbau des ÖPNV, der Rad- und Fußwege, sowie die Förderung von Homeoffice zur Vermeidung täglicher Arbeitswege müssen im Rahmen eines ganzheitlichen Mobilitätskonzepts berücksichtigt werden.

Am Montag, den 16.10.2023 möchte die FDP-Landtagsfraktion mit Ihnen diskutieren:

  • Welchen Beitrag können E-Fuels zum Klimaschutz leisten?
  • Ist die einseitige Fokussierung auf Neuwagen mit E-Antrieb zu kurz gedacht?
  • Welche Perspektiven gibt es für unsere Zuliefer-industrie und damit für unsere Arbeitsplätze?
  • Wie sieht die Energieinfrastruktur der Zukunft aus?
  • Welche Zukunft haben individuelle Mobilität und Logistik?

Melden Sie sich jetzt an: www.fdp-landtag-bw.de/events

 

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