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Wirt Hildebrandt: „Ich erwarte von den Politikern, dass sie endlich Eier in der Hose haben!"

Restaurantbesitzer und Sängerin – doppelt von Corona betroffen
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Georg "Tschortsche" Hildebrand und Elisabeth Kreuzer mit ihren Kindern Aaron und Frieda. Die Coronakrise hat die beiden besonders hart getroffen.

Georg "Tschortsche" Hildebrandt und Elisabeth Kreuzer hat Corona besonders hart getroffen: Das Gourmet-Restaurant "Tschortsches Room" in Neufra war im Februar letzten Jahres gerade erst richtig am Anlaufen, dann kam der Lockdown, und Elisabeth Kreuzer ist als klassische Sängerin und Chorleiterin nun seit mehr als einem Jahr ohne Konzerte, Gesangsunterricht kann sie nur digital geben.

Im Oktober 2018 eröffneten die beiden das Restaurant, "Anfang letzten Jahres merkte ich: Es läuft an, es funktioniert", erinnert sich "Tschortsche" an das gute Gefühl damals. Umso bitterer war es für ihn, im März schließen zu müssen. Dann eine kurze offene Phase im Spätsommer, "wir hatten ein gutes Hygienekonzept, man konnte alle Kontakte nachverfolgen, wir haben sogar die Tischnummern mit der genauen Uhrzeit aufgeschrieben", sagt er. Und doch war es die Gastronomie, die im November als erstes wieder schließen musste. Extrem ungerecht empfinden es die beiden, dass Möbelhäuser und Einkaufszentren offen bleiben durften, eine Kontaktnachverfolgung dort, wo sich die Kunden oft in Massen in den Gängen drängen, sei schließlich unmöglich. "Ich hätte echt nicht gedacht, dass sie uns auch noch das Hauptgeschäft an Weihnachten nehmen", meint Georg Hildebrandt, und seine Partnerin ergänzt: "Es gibt überhaupt keine Belege dafür, dass durch die Öffnung der Gastronomie die Infektionszahlen hochgegangen sind."

 Auch die von der Politik versprochenen schnellen Hilfen ließen zu wünschen übrig: Im Oktober zugesagt, im Dezember erst konnten sie beantragt werden, und das auch nur über einen Steuerberater. Mitte Dezember kam die erste Hälfte vom November an, der Rest im Januar. "Einerseits bin ich dankbar, dass wir überhaupt Unterstützung bekommen haben", sagt Hildebrandt, immerhin hätten Kollegen in anderen Ländern komplett in die Röhre geschaut, "aber das war eben nur eine kurzfristige Liquidität." 75 Prozent vom Nettoeinkommen, abzüglich der Kurzarbeit, die ein Jahr später als Gewinn wieder versteuert werden müssen. Nicht nur für Tschortsche besonders hart: Seit Januar gibt es nur noch 90 Prozent der Fixkosten erstattet. Die restlichen zehn Prozent muss er selbst aufbringen, irgendwie, und das bei allem Frust darüber, dass er seinen geliebten Job nicht mehr machen darf - und er das Kurzarbeitergeld auch noch vorstrecken muss. Bis jetzt gab es für ihn als Selbstständigen privat keinen Cent, da muss er selbst schauen, wie er zurechtkommt. Erst ab Ende April soll es zur Überbrückungshilfe III einen Zuschuss als Eigenkapital geben. 

Außer-Haus-Verkauf seiner Speisen, das machte er im letzten Lockdown, „das lief auch sehr gut“, aber es lohne sich nicht. Denn da ist zum einen sein hoher Anspruch, er macht alles selbst, von der Sauce bis zum Eis, und zum anderen die Tatsache, dass die Einkünfte dann mit denen von vor zwei Jahren verglichen werden. Damals hat er gerade erst aufgemacht und entsprechend wenig verdient. Wenn er jetzt also mehr als 30 Prozent des entsprechenden Monats in 2019 verdient, werden die Hilfen gekürzt. „Letztendlich wird man vor allem als Newcomer dafür bestraft, dass man viel arbeitet!“

So hat er sich im Winter die Zeit für die beiden Kinder Frieda und Aaron genommen, die er zuvor nicht hatte, mit seinem Job, bei dem er manchmal 16 Stunden am Tag in der Küche stand. Schlittenfahren mit  ihnen beispielsweise – „ich konnte viel nachholen.“ Dafür gingen die Ersparnisse drauf, die eigentlich für neue Investitionen im Restaurant gedacht waren. Das Glück der kleinen Familie: Elisabeth hat eine Anstellung bei einer Musikschule und verdiente so weiter. Allerdings dufte und darf sie ihre Schüler nur online unterrichten. „Das ist inzwischen echt nur noch ätzend. Und viele springen deshalb auch ab“, erzählt sie. Frustrierend auch die Arbeit mit ihren Chören: Die meisten Sänger sind schon älter, da ist digitales Proben einfach nicht drin. Keine Konzerte und keine Perspektive, wann es wieder geht, das zerrt an den Nerven. „Ich merke, dass es emotional immer anstrengender wird. Das ist kaum noch auszuhalten.“ Elisabeth Kreuzer hat im Juli 19 ihren Masterabschluss gemacht und wollte durchstarten. „Ich wollte vorsingen, bei Ensembles, bei Chören. Ich hatte so viel vor. Und Anfang 2020 lief es richtig gut. Jetzt ist das alles nicht mehr möglich.“ 

Eine digitale Premiere mit dem Zimmertheater ist für Ende April angedacht, aber das ist einfach nicht das Richtige, sagt die Sängerin. „Ich brauche das Wechselspiel mit dem Publikum!“ Und auch ihrem Partner fehlt die Perspektive: „Ich erwarte von den Politikern, dass sie Eier in der Hose haben und uns endlich eine Perspektive geben!“ Lieber ein etwas längerer Lockdown, aber dann eine klare Ansage, wann die Gastronomie wieder öffnen darf, das ist sein Wunsch. „Wir brauchen einfach Planungssicherheit!“ Kurzfristig wieder zu öffnen, das geht nicht, er braucht Vorlauf, Zeit, ein Konzept zu erstellen, Dinge vorzubereiten. Seine Kritik: „Die Maßnahmen bisher haben nichts gebracht. Jetzt haben wir die dritte Welle!“ Dabei hat er große Lust, weiterzumachen, hat auch einen weiteren Profikoch angestellt, und er weiß, dass seine Stammkunden es auch kaum erwarten können. „Ich hab Hummeln im Hintern, ich will meiner Leidenschaft nachgehen!“ Viele Kollegen werden hingegen nicht mehr öffnen, fürchtet Hildebrandt.

Er selbst hat auch einen Plan B, falls die Schließung noch länger dauert, dann möchte er für die Leute zuhause kochen. „Das ist eine echte Herausforderung, in der Küche der Leute, mit deren Töpfen und Pfannen, das hab ich früher schon gemacht.“ Aber ob er das darf, kann ihm niemand sagen. „Weder das Ordnungsamt noch die Rechtsabteilung von DEHOGA kann mir schriftlich bestätigen, ob das möglich ist.“ Immerhin ein Trostpflaster: Ihre beiden Kinder kommen ganz gut mit dem Homeschooling klar, auch wenn es sehr zeitaufwändig ist. Die Lehrer seien klasse, aber die Gesellschaft mit anderen in der Schule fehle ihnen sehr. Ebenso der Sport im Verein, und das Hin und Her mit Öffnung und Schließung sei auch eine Belastung für die Kinder.

Restaurant Tschortsches Room
Stuttgarter Straße 56
78628 Rottweil - Neufra

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